In der Nacht des 9./10. August 1073 musste König Heinrich IV. vor den Sachsen fliehen.
Von Klaus Röttger
Die Geschichte Kaiser Heinrichs IV. ist reich an ,,bunten" Ereignissen, die sich tief in das Geschichtsbewusstsein des Volkes eingegraben haben. Dazu gehört in erste Linie natürlich der Gang nach Canossa. Aber da gibt es auch die martialische ,,Schlacht im Goslarer Dom", bei der sich Bischöfe blutig um die Sitzordnung stritten, da gibt es die Entführung den jungen Königs, der sich nur durch einen Sprung in den Rhein retten konnte, die kriegerischen Auseinandersetzung mit seinem Sohn und Nachfolger und da gibt es den Bau der Harzburg, die speziell für uns Bad Harzburger von besonderer Bedeutung ist. Keiner der Historiker lässt aber eine ganz spezielle Geschichte aus: Die Flucht Heinrichs im Jahre 1073 von eben dieser Burg.
Der Auslöser der Flucht war die Belagerung der Burg durch aufgebrachte Sachsen. Die Ursachen für den Aufstand sind vielfältig und würden, vollständig erzählt, für ein ganzes Buch ausreichen. Fassen wir es darum nur mit den Worten von Carl Schiller zusammen, der 1861 eine Harzburggeschichte schrieb: ,,… aber Heinrich beleidigte nicht nur die Fürsten, er schonte auch das Volk nicht. Furchtbar waren die Bedrückungen, welche dieses durch die Errichtung der Zwingburgen und von Seiten der Burgwarte zu erdulden hatte. Wie Sklaven zog man die freien Untertanen zu Frondiensten heran. Wie in Feindesland wurde Proviant aus den Dörfern und von den Feldern geraubt. … Obendrein ward mit der gleichen Schamlosigkeit die Ehre des weiblichen Geschlechts verletzt, mit welcher man die Entführten den gekränkten Angehörigen zurückschickte". Offensichtlich war der Kaiser wohl auch nicht gerade diplomatisch, als er verlauten ließ, dass die Sachsen knechtischer Natur wären und sie somit auch Knechtsdienste zu leisten hätten.
Mit Sicherheit gab es auch noch einige andere Gründe politischer Natur, die zu den Sachsenaufständen dieser Zeit gehörten, aber die blumigen Formulierungen Schillers machen den Hass besonders deutlich, der letztlich zu der bekannten Belagerung führte. Der Harzburger Fortschreiber Leonhard, der sich als erster 1825 an eine Harzburgchronik machte, sah das so: ,,Indessen umschlossen die Sachsen die Harzburg mehr und mehr, um dem König die Flucht unmöglich zu machen. Der König gewahrte dies und war in großer Noth, denn er dachte an Flucht in die Rheingegenden." Der weil gingen zur Täuschung Verhandlungen hin und her. Schiller weiter: ,,Während noch auf einen glücklichen Erfolg dieser Verhandlungen gewartet wurde, entfloh Heinrich des Nachts mit Berthold, dem Herzog von Kärnten, den Bischöfen Eppo von Zeitz und Benno von Osnabrück und anderen."
Die Flucht allein wäre sicherlich im Wirbel der anderen Geschichtsereignisse längst untergetaucht, wäre da nicht die nach und nach sich immer mehr zur Realität verdichtende Sage, dass diese Flucht durch einen geheimnisvollen Stollen im Brunnen der Burg stattgefunden hätte. Der mit geschichtlichen Wahrheiten eher sorglos umgehende Leonhard schreibt allerdings von zwei Meinungen bezüglich des Entkommens: ,,Einige glauben, er sei durch eine in der südlichen Ringmauer befindlichen Öffnung geflohen." Er weist zum Beweis auf eine ebensolche Öffnung in der Karte von 1574 hin und meint sogar, dass sie auch heute noch (1825) zu sehen sei. Den Brunnen schließt er als Fluchtweg völlig aus, weil hier eben gar kein Tunnel zu finden sei.
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