Rheinsteig
am 10.10.2012
Zum dritten mal geht es zum Rheinsteig. 2010 sind wir von Wiesbaden nach Kaub gewandert. 2011 von Kaub nach Rengsdorf, wo wir Freitagmorgen, im Dauerregen frustriert heim fuhren.
Nun wollen wir, Achim und ich den Rheinsteig vollenden. Von Rengsdorf bis Bonn soll die Reise gehen, wobei wir die Etappe Sayn - Rengsdorf noch irgendwie, wahrscheinlich am Schluss der Woche einplanen müssen; da Sayn 2011 uns keine Unterkunft bieten konnte, wir in Rengsdorf übernachteten, dort wegen des Regens aufhörten, fehlt uns noch dieser Streckenabschnitt.
Wir sind mit Achim's Mercedes auf Reise. Achim hat das Gepäckwandern aufgegeben, nur mit Tagesrucksack will er noch unterwegs sein. Der Rheinsteig bietet das auch durch seine Infrastruktur, den guten Verkehrsverbindungen, geradezu an. Wie immer fährt Achim, ich sitze daneben führe ihn zu unseren Zielen.
Wie das so ist mit dem Führen. "Hinter Kassel müssen wir abbiegen" sage ich so beiläufig zu Achim. Achim macht das auch abrupt plötzlich. Schon gondeln wir auf der 44 Richtung Dortmund. In meinem Kopf spukte die 5 umher, auch hinter Kassel, nur ein Stückchen weiter. Also ich habe gepennt, nicht bei der Sache gewesen, Achim durch Plaudereien zum Abbiegen verleitet. Mir wird es warm, wie kriegen ich die Kurve nach Rengsdorf ohne Umkehr? Achim hat nur eine uralt ADAC Übersichtskarte im Auto, mein Straßenatlas liegt Zuhause im Schrank.
Tüftele an der Fahrrute umher. Da nur die wichtigsten Straße auf der Karte verzeichnet sind ist das relativ einfach. Nach Südwesten geht es halbwegs direkt nur über die B7 Marsberg, Brilon,Meschede, auf die B55 nach Olpe, von hier Richtung Wenden, Freudenberg nach Kirchen am Sieg, weiter die B62 nach Betzdorf, Wissen, schön an der Sieg entlang. Hinter Wissen die B256 nach Süden. Rengsdorf ist nicht zu verpassen, liegt direkt am Wege.
Erst war es ja saublöd mit meinem Aussetzer hinter Kassel, aber die Reise durch das Sauerland, dem Ebbegebirge, dem Wildenburger Land, dem Siegtal war so etwas von zauberhaft und gemütlich, dass nicht nur Achim, sondern auch ich als Beifahrer die reinste Freude an dem Umweg hatten. Eine Stunde länger dauerte die Reise als Google den schnellsten Weg über die Autobahn angezeigt hatte.
Wunderbare herbstliche Landschaften, im strahlendsten Sonnenschein erlebten wir.
Mein "Wandern-kompakt" von Bruckmann hatte ich schon Zuhause studiert. Von Leutesdorf nach Rheinbrohl - leicht 14,5 km- das lässt sich am Nachmittag gut machen. Schlug diesen Törn Achim vor; denn Rengsdorf - Leutesdorf sind mit 21km doch gut eine Stunde länger zu laufen, da ist ein voller Tag besser , kommt doch noch die Rückreise zum Auto dazu, mit der Umsteigerei in Neuwied, mit ewtl. Wartezeit, plus Fahrzeit noch obendrauf.
Achim macht sich da keine Gedanken, bei der Einteilung der Etappen läßt er mir freie Hand.
Um 12:46 Uhr stehen wir auf dem Parkplatz des Leyscher Hofs am Zolltor in Leutesdorf. Zwei Sterne zieren ihn, unsere Preisklasse, denke ich. Sause die Treppe hoch, Achim im Schlepp, lese neben der Tür, die in den Gastraum führt: "Willkommen bei der nettesten Wirtin vom Mittelrhein". Lese laut das Willkommen vor. Von einer Dame im weiten, bunten Kleid werde ich nach meinen Wünschen gefragt. "Bitte wir möchten ein DZ für zwei Nächte". "Wollen sie gleich auf's Zimmer oder erst zur Nacht, eben muss das Essen raus, wandern sie man erst, wollen sie doch? Das mit dem Zimmer geht klar", sagt sie freundlich und wendet sich zur Küche. "Unser Auto steht auf ihrem Parkplatz, vergessen sie uns nicht, bis zum Abend" rufe ich hinter ihr her. Sie dreht sich um, winkt freundlich.
Achim schlüpft in seine Stiefel, nimmt seine Klapperstöcke, schließt das Auto ab. Steckt den Schlüssel in die Seitentasche seiner Hose. Schon sind wir auf dem Weg nach Rheinbrohl, es ist 13:01 Uhr.
Durch den Ort, rechts die weiße Kirche, links Weinstöcke mit einem bronzenen Jüngling, der einen Traubenkorb auf dem Rücken, die Weinbergstufen hinunter steigt.
Steil geht es hoch zur Edmund Hütte, abgeschlossen, doch von der Terrasse einen weiten Blick Rhein auf, Rhein ab. Eine junge Familie mit nörgelnden Nachwuchs nervt ein wenig. Was die Kleinen auch manchmal ertragen müssen, so hoch hinauf dann nichts zu Trinken oder zu Naschen, nur Aussicht! Hätte mir vor Jahren bestimmt auch nicht gefallen.
Ein Apfellehrpfad führt uns durch Streuobstwiesen. Bunte Kronwicken, die Mehlige Königskerze mit ihren weißen Blüten blühen am Weg. Eine Sitzgruppe kommt Achim gelegen. "Erst einmal Mittag, ich muss erst einmal etwas essen und trinken, bin seit sechs auf den Beinen, bin hier her gefahren, jetzt ist erst einmal Pause" sagt er bestimmend. So setzen wir uns hoch über den Rhein, etwas abseits von Leutesdorf und essen Achims Leiste-Rotwurst mit angerösteter Schwarzbrotscheibe, dazu Harzburger Mineralwasser. Betrachten den Schiffsverkehr auf dem Rhein, die Arbeiter im Weinberg unter uns. Danach geht's gleich wieder in Serpentinen runter ins Mühlbachtal. Wieder ein Aufstieg zur Ruine Hammerstein, die sich links auf einen Bergsporn hinter Bäumen versteckt. Ein schmaler Pfad zu dem Aussichtspunkt unter ihren dicken Mauern. Stromern durch die Ruine. Ein Essensduft zieht durch die alten Gemäuer. Zwei jugendliche Wanderer kochen sich eine Tütensuppe. "Riecht gut, schmeckt sie auch so" meine Frage. "Wenn ihr Wasser dabei habt kochen wir euch auch eine " ihr Angebot. Mit "Danke haben gerade eine Wursteplatte verzehrt" stromern wir weiter, suchen einen Abstieg zum Rheinsteig. Finden keinen, müssen den gleichen Weg zurück. Die jungen Burschen sind im Aufbruch, sind aus Feldkirchen, nicht weit von hier. "Alle laufen den Rheinsteig, wir sind hier Zuhause und nun auf unserer ersten Etappe, wollen ein wenig mitreden können wenn wir von Wanderern angesprochen werden. Man muss sich ja bald schämen wenn man den Steig nicht gelaufen ist" ihre Motivation.
In Ober Hammerstein hüpfen sie an uns vorbei. Durch vollhängende Weinstöcke, blaue, gesunde Trauben, wandern wir nach Nieder Hammerstein. Naschen von einer schon abgeernteten Reihe ein paar hängegebliebene Trauben, werden von einer dreier Gruppe, zwei Herren und einer Dame, mit Hunden gemustert, kriegen aber keinen Verweis.
Am Hammersteiner Bach entlang geht es wieder in Serpentinen auf die Höhe. Hier ist der Rheinsteig verlegt, läuft direkt an der Hangkante am Wiesenzaun entlang. Eine hübscher Weg, der aber erst noch einer werden soll, schnell kann man am Stacheldraht hängen bleiben. Wenn's bei einem Loch in den Klamotten bleibt hat man Glück gehabt. Der Annahof wird nicht mehr angelaufen. Ein schmaler Steig bringt uns durch strukturierte Wiesenlandschaft zum Bahnhof nach Rheinbrohl.
Der gammelt vor sich hin, wie fast alle Bahnhöfe der Deutschen Bahn hier an der viel befahrenen Rheinstrecke.
Löse zwei Fahrkarten am Automaten. Das klappt! Für 1,65 € geht es ohne lange Wartezeit nach Leutesdorf zurück.
"Ich dachte schon ihr seid verloren gegangen" die Begrüßung der nettesten Wirtin vom Mittelrhein. "Kommt mit, ich zeige euch erst einmal das Zimmer". Sie führt uns durch das Haus, in den Garten. Links ein langer, gestreckter Anbau. Der Terrassen-Gang davor, ist ausgelegt mit einem grauem Läufer. Einem Motel in den Staaten nicht unähnlich. Das letzte Zimmer dieses Zimmerzuges wird unser.Vor dem Zimmer weisen drei Stufen in den Garten,der ist mit einem Teppich aus tausenden roten Beeren besät. Stammen von einen alte Eibe die links vor der Terrasse steht. Alle ihre reifen Früchte hat sie fallen lassen, steht so in ihrem rotem Früchte-Teppich. Von Amseln und Drosseln, die sonst um die roten Beeren streiten, keine Spur! Alles ein bisschen eigenartig!
"Was gib es zu essen" fragt Achim. "Rheinischen Sauerbraten, oder sonst etwas von der Karte, was sie möchten" die Antwort der Nettesten.
Wechseln die Schuhe, Achim noch seine Hose. Der Gastraum voller speisender Gäste. Der Tisch neben der Türe wird uns zugewiesen. Eine Hübsche bringt die Speisekarte, empfiehlt Federweißen. Den probieren wir. Süßer Saft verwöhnt die Zunge. Achim hat wohl mächtigen Schmacht, wählt für uns das angebotene Menü. Statt Sauerbraten wird Burgunder Braten gespeist. Verwöhn Genuss für bald eine Stunde. Auf einen trockener Hauswein sind wir beim Speisen umgestiegen. Nach dem Nachtisch probieren wir noch einen Schoppen Höherpreisigen.
Wir sind wohl Banausen, schmecken das hochpreisige Aroma nur schwer heraus.
Liegt wohl am langsam voll gefressenen Magen.
In unserem "Motelzimmer" zieht Achim noch einen Schatz in Form eines Spätburgunders aus seiner Tasche.
Der Winzling von Fernseher bringt keine echte Freude, beim Wecker stellen schmeiße ich das volle Weinglas um. Der rote Saft läuft über mein Laken, durch das Zimmer. Putze mit Lokuspapier alles trocken. Bald eine ganze Rolle geht dabei drauf. Mein Bett duftet nach Spätburgunder. Habe wilde Träume. Kommt das vom Spätburgunder Duft des Lakens oder vom Burgunder Braten?
Mitten in der Nacht klingelt der verdammte Wecker, reißt mich aus meinen Träumen. Bringe ihn zum Schweigen. Nach dem Toilettengang, wenn man schon mal wach ist, gerade so beim eindöseln springt das verdammte Ding wieder an. Zerre den Stecker aus der Dose! Nun ist Ruhe. Achim weckt mich zehn Minuten vor dem bestellten Frühstück. Ein hastiger Tagesbeginn. "Reg dich nicht auf, kommt doch auf ein paar Minuten nicht an, wir Frühstücken wenn wir soweit sind " tröstet mich Achim.
"Wir haben um 8 Uhr gesagt, dann müssen wir da auch erscheinen" meine Antwort.
Es wird etwas später.
Die netteste Wirtin vom Mittelrhein ist hübsch hergerichtet, steckt in einem neuen bunten Kleide, begrüßt uns freundlich, bringt den Kaffee. Frage wie wir am schnellsten nach Rengsdorf kommen. "Da nehmt man am besten eine Taxe, sonst braucht ihr mindestens eineinhalb Stunden bis ihr da ankommt und preislich ist da auch kein so großer Unterschied, wenn ihr zwei Personen rechnet" ihr Rat. Wir rechnen mit uns unbekannten Zahlen. Draußen Nebel, vom Rhein nichts zu sehen.
"Dort oben in den Bergen ist vielleicht schon Sonne" eine Vermutung nur, doch dieser Satz von ihr, bringt den Entschluss ein Taxi zu bestellen.
Das Frühstück ist reichhaltig, müssen das Meiste liegen lassen.
Eine Wegzehrung mitzunehmen ist nicht angebracht, bei dem Rotwurst-Vorrat Achims. Um 9 Uhr steht des Taxi vor der Tür, bringt uns auf Schleichwegen hoch nach Rengsdorf. Im Sonnenschein beginnt unsere Wanderung, hat sie also recht gehabt, die Netteste.
Durch den Ort, an der viel befahrene B256 entlang kommen wir zum Abzweig zum Rheinsteig. Durch hübsche Anlagen zum Römergraben. Das ist eine alte Wallanlage die den Römern zugeschrieben wurde. Nach neueren Forschungsergebnissen soll sie jedoch von den Franken errichtet worden sein. Hinweistafeln weisen auf Sinn und Zweck des Ausbaus hin. Mit dem Begriff "Gebück",können wir nichts anfangen; gut dass der auf der folgenden Tafel erläutert wird. Durch flechten der Äste und Ranken der Bepflanzung wurde eine undurchdringliche Hecke geschaffen, die zur Sicherung der vergangenen Grenze diente. Alles auf Bildtafeln dargestellt. Jetzt schmücken schöne alte Bäume den fast zu übersehenden Wall.
Vorm Schauinsland wird der Rheinsteig wegen einer größeren Straßenbaumaßname um- bzw. abgeleitet. Wir folgen dem ausgewiesenen Weg. Hin und her werden wir durch den Hochwald geleitet, ohne Aussicht oder sonstige landschaftliche Höhepunkte , wenn man von einem pilzübersäten alten Buchenstamm einmal absieht zur Laubachsmühle. Wir überschreiten jedoch nicht die Straße, sondern steil geht es wieder hoch um dann oberhalb der Straße auf einem wirklich schönem, manchmal ausgesetzten Pfad Altwied zu erreichen. Beim Friedhof queren wir die Straße, wandern durch den Torbogen "Porz" unterhalb der Burgruine durch Altwied. Schöne,alte Häuser mit kleinen Gärten, ein kleiner Park, begleiten uns zur Wiedbrücke. Hinter der Brücke führt der Wanderweg nach links, neben der Wied entlang weiter. Eine Barriere,ein Sperrschild dass jeglichen Auto- und Fußverkehr verbietet, versperrt den Weiterweg. Die Umleitung zeigt Flussauf. Wir beide, folgsam wie wir sind, laufen brav der Umleitung nach. Arbeiter verteilen fleißig Kies vor einem Gebäude, auf dem Weg. Wunderbare Wasserlandschaft, Eisvögel fliegen auf, Kormorane flüchten, Enten streiten sich um Fressbares, die verschiedenfarbigen Bäume spiegeln sich im stillem Wasser. Warten hinter jeder Biegung auf einen ausgeschilderten Abzweig der uns in die richtige Richtung leitet. Nichts kommt, sondern die Laubachsmühle schimmert wieder durch die Bäume. Wer folgsam ist wird angeschmiert, sind wir doch den Weg auf der anderen Seite des Baches wieder brav zurückgelaufen.
Wenden, gehen den gleichen Weg zurück. Die zwei Arbeiter werden bei ihrer frühen Mittagspause gestört, werden angesprochen, was es mit Sperrung auf sich hat. "Da geht man durch, ein paar Steine sind da runter gekommen, gleich am Anfang sonst ist der Weg frei" ist die Auskunft.
Hätte ich sie bei der Arbeit gestört, sie bei unserem ersten Treffen nach dem Weg gefragt, ja dann wäre dieser schöne Wiedtalabschnitt nicht von uns gesehen worden.
Tatsächlich liegen drei- vier dicke Wackersteine auf dem Weg. Nichts kommt mehr von oben, aber wer weiß das schon vorher?
Schöner Blick über den Fluss auf die alten Ruinen der Burg, den Häusern von Altwied.
Das Ende des gesperrten Wegabschnitts ist genau so verrammelt, Lebensgefahr ausgewiesen durch herabstürzende Felsen. Hier ist die Umleitung jedoch besser gekennzeichnet, führt weg von der Wied, durch den Ort. Haben wir unterhalb der Ruine vielleicht nicht richtig aufgepasst, oder wird der Rheinsteig flussauf besser gekennzeichnet? Na, egal, war doch eine schöner Wegabschnitt!
Weiter geht es immer hoch und runter über kleine Bäche, kurz dran entlang, durch Wald wieder hoch. Bei einer verschlossenen Hütte grüßen zwei geschnitzte hölzerne Wanderer. Der Jüngling schlank, gut aussehend, auf einen Stock gestützt schaut er ins Land. Die Dame daneben, wie heute üblich mit Klapperstöcken, etwas zu dicken Kopf, grimmigen selbstbewussten Gesichtsausdruck!
Gut, das mein Wanderpartner Achim ist und nicht so ein dominierendes Weib!
Der hölzerne Jüngling ist nicht zu beneiden.
Am Waldrand viele Gruppen vom Specht-Tintling. Die schwarzbraunen Hüte mit weißen flockigen Schuppen gesprenkelt, wie eine Zwergenstadt, ein Straßendorf der Zwerge am Waldrand.
Lila, runde Pilzhüte mit weis-punktiertem Stiel bringen mich ins Rätseln. Sollte es der Violette Lacktrichterling sein? Doch der Kopf ist rund, nicht irgendwie trichterlich geformt, bin mir nicht sicher.
Ein Baumstrunk mit einem übereinander gestapelten Horst von Hallimasch. Sie haben ihre Jugend schon hinter sich gelassen. Weißer Sporenstaub liegt auf ihren weit geöffneten Hüten. Nicht weit daneben ein weiterer Pulk Hallimasch eingefasst vom Gesäten Tintlingen. An einer langsam vergammelnden Buche der Buchen-Schleimrübling, weiß, glibberig, fasst durchsichtig.
Eine Holztafel, an einen Baum genagelt, sorgt für ein Besinnen. Eine weitere, schon teilweise von der Baumrinde überwallt weist auf ein Mütterlein hin, dass an ihren Liebsten denkt. Kommen aus dem Wald, auf Felder, mit weitem Blick über den Rhein.
Gleitschirmflieger probieren den Start, nur schwer kommen sie vom Boden weg. Landen bald wieder.
Achim jammert hinter seinen heute Morgen vergessen Klapperstöcken her, ist müde von der weiten Wegstrecke. Vor Leutesdorf noch einmal Rast in einer Aussichtskanzel. Verlassen den Rheinsteig, wandern zum Bahnhof Leutesdorf hinunter.
Achim fällt auf sein Lager ist kaputt vom heutigen Gerenne, schimpft mit mir über die lange Strecke. "30 km waren das bestimmt, viel zu weit und das alles ohne Stöcke, ja hätte ich die dabei gehabt. Aber so, hättest mich ja heute Morgen daran erinnern können. Aber nein, einfach nichts sagen" knurrt Achim leise. Dabei hat er mir am Morgen in Rengsdorf noch erzählt: "Die Stöcke habe ich absichtlich im Auto gelassen, wollte dir eine Freude machen". ( Ich leide immer unter dem Geklapper der Stöcke, rege mich auf, wenn sie auf geraden Strecken eingesetzt werden! Stören, nerven mich mit ihrem Gepinkere!)
Das mit dem Vergessen kam dann erst später aus ihm heraus.
Da es im Leyscher Hof heute nichts gibt, Ruhetag, müssen wir zum Essen noch in den Ort. Laufen eine halbe Stunde umher, um dann doch im nächsten Lokal, der Burgschänke, einzukehren.
Ein Riesenschnitzel bringt uns wieder ins Gleichgewicht. Vor unserem Mini-Fernseher dann noch einmal ein Fläschchen aus Achims Kofferraum. Die Balance ist wieder gefunden. "Aber Morgen nicht so weit" gibt mir Achim noch mit in den Schlaf.
Morgens zum Frühstück empfängt uns die Netteste nicht nur wieder im neuem Kleid, sondern auch mit anderer Frisur, neuer Haarfarbe. Man muss ihr lassen sie versteht es schon für gute Stimmung bei ihren Gästen zu sorgen. Immer gut drauf, freundlich, emsig jedes Gespräch auf nehmend, doch ohne aufdringlich zu wirken.
Als ich meinen Plan für heute vorstelle ist sie sofort dabei Ratschläge zu geben.
"Wenn ihr nicht bis Linz laufen wollt oder könnt, dann gibt es auch von Leubsdorf die Möglichkeit zurück zu fahren" erklärt sie mehr Achim als mir.
Achim ist sofort auf Leubsdorf fixiert.
In Rheinbrohl lassen wir Achims Mercedes stehen. Durch Rheinbrohl hindurch, treffen wieder auf den Rheinsteig. Hoch geht es hinauf zur Kolpinghütte. Heute ist der Himmel grau. Immer wieder Dunst vor den Rheinbergen. Feucht ist alles, nicht ganz so gute Sicht. Unter uns Bad Hönnigen im Dunst seiner Schornsteine, des aufsteigenden Bodennebels. Windstille. Durch Weinberge, durch Waldstücke auf Wegen die mit abgefallenem Laub bedeckt sind, kommt das Schloss Arenfeld langsam näher. Wassertropfen an Zäunen, Latten, Blättern, Zweigen. Unter Bäumen trifft uns manchmal ein Herunterfallender. Sonst aber trocken.
Der Efeu ist bis in die Wipfel gekrochen, hat die Bäume in Grün gehüllt.
Gelbliche Blüten des Efeus versuchen Bienen zu locken. Kein Gebrumm, nichts fliegt durch die feuchte Luft. Schöne Wege unter mächtigen Rosskastanien. Leichtfüßig geht es dahin. Achim hat seine Klapperstöcke dabei, schwärmt wie wunderbar es sich damit laufen lässt. Ich grinse nur, bin froh das sein gestriger Frust vergessen ist.
Ein Kirchturmkreuz am Weg ohne Kirche. Eine Tafel bringt die Erklärung. Ein Ziegen- und Schafzüchter findet wir sollten lieber arbeiten, so wie er, als durch die Gegend zu laufen. "Das bringt doch nichts, außer lahme Beine" seine Meinung. Lassen ihn dumm sterben, antworten nicht. Ein schmaler, rutschiger Pfad bei dem Achims Klapperstöcke noch einmal zur Hochleistung auflaufen können, seinen Abstieg sichern. Diebisch freut er sich als meine Füße unter mir wegrutschen, ich bald im Dreck lande.
Im Ort macht der Rheinsteig eine Rechtskurve, um dann gleich links die Höhe über Leubsdorf zu erreichen. Versuche Achim zu überlisten, möchte gern weiter bis Linz. Der glitschige Steig in den Ort und nun dieser steile Pfad in die Höhe haben aber seine Aufmerksamkeit geweckt. "Nein wir sind in Leubsdorf, bis hier und nicht weiter, morgen ja , aber für heute ist Schluss" sagt er mit bestimmenden Unterton.
Schlendern zum Bahnhof. Müssen lange auf einen Zug warten. Der Bahnhof verdreckt, keine Bank zum Setzen. Achim setzt sich auf die untere Stange des Eisengeländers. Schlechtes sitzen, missmutiges Warten unter trüben Himmel.
In Leutesdorf angekommen setzen wir uns in der Biergarten unseres Leyscher Hofs. Die Sonne bescheint drei, vier Tische direkt hinter der Mauer der Terrasse. Sind nicht allein. Zwei Damen, ihr Gesicht der Sonne zugewandt, dösen, sind in sich gekehrt. Achim geht in die Wirtschaft, bestellt uns Federweißen. Unterhalten uns über die drei vergangenen Tage, über Achims Vorhaben eines seiner Ferienhäuser zu verkaufen. Spüre förmlich seine Wehmut eines seiner Werke abzugeben. Ist wohl auch etwas was sein Herz und seine Beine schwer macht. Achim ist kurz davor Trübsal zu blasen, da kommt die Sonnenpause mit dem süßen Federweißen gerade recht. Wärmt Körper und Seele.
Als die Sonne sich verabschiedet wechseln wir in unsere Bude. Vor unserer Tür zwei Fußtrapsen. Da ist doch einer durch die roten Taxusbeeren gelatscht, hat seine Schuhsohlen vor unserer Türe abgestreift, Zwei schmierige Taxusbeerhaufen zurückgelassen. Stört mich gewaltig! Mein Bettbezug leuchtet immer noch rotweinrot daher, dachte wirklich es würde einmal gewechselt. Nein, bleibt so bis zur Abreise. Abendessen am gleichen Tisch im Leyscher Hof. Viel Betrieb in allen Räumen, neue Gesichter bei den Bedienungen. Bald hocken wir wieder vor unserer Minikiste von Fernseher; das heißt, Achim liegt in der Molle, ich sitze auf dem Fußende des Bettes. Gut das Achim so gut vorgesorgt hat, über einen großen Kofferraum verfügt. Er hat noch ein Rotweinfläschchen hervor gezaubert.
Beim Frühstück am nächsten Tag sitzt ein Opa mit seinem Enkel am Nachbartisch. Wandern auch den Rheinsteig, sind auch allein unterwegs. Haben die Wanderung bei einem Veranstalter gebucht. Ihr Gepäck wird vom Hotel immer hinterher gekarrt, brauchen nichts selbst zu tragen. Achim spitzt die Ohren, wird bald schwanger von den Erzählungen des Opas. Wäre das nicht auch mal was für uns?
Nach dem Frühstück fahren wir nach Leubsdorf zum Bahnhofsparkplatz. Lassen das Auto stehen, machen uns auf den Weg. Über Linz nach Unkel soll es heute gehen.
Der Zugang zum Rheinsteig ist gut ausgeschildert, schnell sind wir wieder auf dem weißen Flusslauf auf blauem Grund, dem Rheinsteigwanderzeichen.
Dattenberg wird durchlaufen. Kreuzpfeilerbasilika, Friedhof, alte Grabsteine, stattliches Haus oberhalb des Ortes, bleibt links unter uns liegen,schön gepflanzte Vorgärten vor neueren kleinen Villen, alte renovierte Fachwerkhäuser mit weißen Feldern zwischen dunklen Balken. Eine rotweiße Fahne mit blauweiß gestreiften Wappen mit schreitenden Löwen.
In Linz ist Markt. Viele Menschen im Ort. Achim will einkehren, nur einen kleinen Kaffee trinken. Bringe ihn davon ab, stattdessen probieren wir uns an einem Wurststand durch das Angebot. Kaufen drei Mettwürste als Wegzehrung. Jede mit anderen Früchten gewürzt.
Schwer trennt sich Achim aus dem Trubel der Stadt. Die Burg Ockenfels will von Wanderern nichts wissen. Verbotsschilder schmücken den Steig. Unmut kommt auf, sind froh als die Schilder hinter uns liegen. Freuen uns über die Sumpfwurz am Berghang die rosa blühende Minze am Kasbachufer.
Hoch geht's hinauf zur Erpelner Ley. Werden noch einmal gefordert, der Weg bringt uns ins schwitzen. Der kleine Ego in Achim macht sich bemerkbar, schimpft, dass ich so einen Scheiß-Weg ausgesucht habe. Setze mich ein wenig von ihm ab, will seine Meckerei nicht hören, habe ich doch gar nicht aus gesucht, ist halt so, der Rheinsteig. Immer hoch auf die Berge, immer runter ins Tal. Alle Täler müssen gequert werden! Warte oben auf ihn.
Es dauert schon eine Weile bis Achim, mit seinen Klapperstöcken in den Händen, wieder auftaucht. Er hatte sie ab in Linz im Rucksack stecken, jetzt auf den letzten Metern der Steigung hat er sie wieder hervor geholt.
Beim Gedenkstein, der an die abgebrochene Sturmfahrt des Grafen Zeppelin erinnert, sitzen wir wieder traut beieinander, essen eine von den in Linz erworbenen Würsten.
Toller Blick auf den Rhein. Kalter Windzug von hinten lässt die Pause nicht so lang werden.
Erst durch bunten Wald, dann über Wiesen nach Orsberg. Über die Stuxhöhe, einen alten Richtplatz mit Blick auf Städtchen und Rhein steigen wir nach Unkel ab.
War wieder ein ordentliches Wegstück. Habe mir die Etappe von Leubsdorf bis Linz leichter und kürzer vorgestellt. Achim hatte schon recht mit seinem gestrigen Abbruch. Nur kurz warten auf den Zug. Gut dass wir den Fahrkartenautomaten gleich entdeckt und zwei Karten für je 2,65 € nach Leubsdorf gezogen hatten, sonst hätten wir wieder eine Stunde auf dem Bahnhof warten können.
Mit dem Auto fahren wir noch einmal nach Linz zurück. Schlendern noch einmal durch die schöne Stadt. Hinter einer Schaufensterscheibe eines Cafe's lassen wir es uns gut gehen. Kaufe noch zwei Flaschen Biowein für den Abend.
Zurück im Leyscher Hof, die Taxusbeerentrapsen immer noch vor unserer Tür, das rotweinrote Laken grüßt mich wieder. Achim schlüpft wieder in seine Ausgehhose. Kurz wird sich gewaschen.Fertig für den Abend.
Die Gaststube wieder voll, der gleiche Tisch für uns reserviert, ein letztes Abendessen. Wir haben beschlossen weiter zu ziehen, weiter Rheinab eine neue Bleibe für den Rest des Rheinsteigs zu suchen.
Bleiben diesmal ein wenig länger in der Gaststube. Bald sind wir im Gespräch mit der nettesten Wirtin vom Mittelrhein. Immer zwischen dem Bedienen der anderen Gäste kommt sie zu uns an den Tisch. Nett. Frage was man unter Ley und Werth versteht, heißt doch hier immer alles Ley. "Ley bedeutet nichts anderes als Fels, Werth ist eine Rheininsel, manchmal mit einem Steinwall mit dem Ufer verbunden", erklärt sie uns. "So heißt unser Leyscher Hof übersetzt Felsen Hof, die Loreley ganz pervers Lorefels, die Rheinbrohler Ley - Rheinbrohler Fels, Erpeler Ley - Erpeler Fels usw--".
Wir Traumtänzer, hätten wir doch selbst wissen müssen! Schämen uns über unsere Unwissenheit. Bedauern ein wenig unser neues Wissen, nimmt es doch der Rheinromantik etwas von seiner Mystik.
Schleichen in unsere Stube, die mit den Trapsen vor der Tür, der Mini-Glotze , dem Rotwein-Laken.
Unsere Biowein ist wohl mit Apfelessig vertauscht worden, hat einen ganz besonders gesunden Geschmack!
Ruhige Nacht, nur einmal rollt ein Güterzug durch meine Träume.
Der Morgen bringt etwas Unruhe beim Einpacken der Taschen. Achim kontrolliert alle Schubladen, nur nichts liegen lassen! Ich habe es damit immer leichter, wer nichts auspackt braucht halt auch nichts einpacken.
Werden beim Frühstück von einer jungen Frau bedient. Unsere nette Wirtin werkelt in der Küche. Begrüßt uns später beim Abkassieren. Trägt wieder ein neues Kleid.
Herzlich werden wir verabschiedet. "Kommt bald einmal wieder, im Frühling ist es bei uns besonders schön. Weiter viel Spaß bei euren Wanderungen. Auf ein Wiedersehen"!
Es ist Sonntagmorgen und die Sonne meint es schon gut mit uns. "Erst einmal auf die B42 Richtung Linz, Achim". Achim sitzt hinter seinem Steuer, fährt sachte aus dem Ort und sagt nichts.
"Otto, eigentlich langt es mir, bin nicht so gut drauf, musst mir aber nicht böse sein, eigentlich langt es mir". "Wollen wir nach Hause"? "Ja, würde ich gern, sei mir nicht böse". "Achim ich bin dir nicht böse, ein wenig traurig, ja das schon. Meinst du vielleicht ich merke nicht deine Unzufriedenheit, deine Traurigkeit, deine Abwesenheit. Deine Gedanken sind sonst wo, aber nicht beim Wandern. Hast zur Zeit ja auch manches zu bedenken! Fahren wir Heim", erwidere ich.
Erleichterung zieht durch sein Gesicht. "Darfst mir aber nicht böse sein"! "Nein, bin ich nicht"!
Wir fahren noch durch Leutesdorf und unser Ziel schon Bad Harzburg.
In Bad Hönningen verlassen wir das Rheintal, fummeln uns wieder zur B256 durch durch, juckeln mit 70 - 80 km die Stunde, durch herbstliche, sonnenbeschiedene Landschaften. Nerven machen Schnelleren, wenn der uns nicht überholen kann oder darf. Es gibt auch Freche, die hupen uns an, machen blöde Handbewegungen. Wir fassen uns auch manchmal an den Kopf über soviel Ungeduld im Sonntagssonnenschein. Die Ortschaften, durch die wir kommen sind leer, wenig Betrieb, weder Autos noch Menschen. Achim macht sich das zunutze, bleibt immer bei seinen 70km die Stunde, holt so doch noch einen guten Schnitt heraus. Nur eine Pinkelpause unterwegs.
In den Ortschaften bin ich immer gefragt, das heißt, ich passe auf wie ein Falke bei der Jagd, nur keinen Blitzer übersehen. Wird es zu unübersichtlich rufe ich schon mal "Fünfzig". Achim reagiert, doch bald wird wieder mit 70km durch die Gegend gegondelt. Erst kurz vor Kassel nehmen wir die Autobahn, da hat das Gebummel ein Ende. Überholen sogar mit Schwackes einzelne, sonntags fahrende LKW's.
Ab Göttingen bestimmen Wolken den Himmel.
Um 16 Uhr sitzen wir bei einer Tasse Kaffee bei uns in der Stube.
Schön war unsere, wenn auch abgebrochene, Reise.
Ein paar Kilometer Rheinsteig wartet noch auf uns. Von Sayn bis Rengsdorf - 14 km, und von Unkel bis Bonn ca. 57 km = 71 km, ob wir das noch hinbekommen?
Aber Deutschlands Landschaften haben auch anderswo noch schöne Töchter!
Der Naturparkweg Leine - Werra, von Heiligenstadt nach Creuzburg hat bestimmt auch seine Reize!
Otto Pake