Rheinsteig
am 06.10.2011
Der 6. Oktober Früh um 7 Uhr steht Achim vor der Tür, holt mich ab. Reisetasche und Tagesrucksack verschwinden im Kofferraum des alten Mercedes. Ein großes altes Modell. Großes langes Auto, ausgerüstet mit allen Dingen mit denen die heutigen neuen Fahrzeuge immer noch zu protzen versuchen. Nur ein Navigationsgerät fehlt. Doch da liegt eine Karte auf meinem Schoß, mit der ich uns bestimmt zum Zielort bringen werde. In St.Goarshausen wollen wir zwei Tage wohnen um die Rheinsteigwanderung um drei weitere Etappen, mit leichtem Gepäck, zu erwandern. Kurz vor der Mittagsstunde erreichten wir das kleine Städtchen. An der Einfallstraße gleich ein Hotel mit gegenüberliegenden Parkplatz. Leider sind alle Zimmer schon vergeben. Im Ort die Straßenführung etwas verworren für uns Fremde. Schienenstränge mitten durch den Ort, im Minutentakt von Personen und Güterzügen in hoher Geschwindigkeit berollt. Kommt so einer angerauscht, so schiebt er eine unsichtbare Luftwand vor sich her. Sie zieht einem die Mütze vom Kopf und lässt die Haare flattern. Die Gespräche verstummen im Geratter und Geflatter. Am Schienenstrang die Hotels aufgereiht, Eingang der Hauptstraße zugewandt. Der Zugverkehr soll in der Nacht weniger werden, doch das ist so eine Sache mit den Vermietern; stimmt es oder ist der Lärm ihnen zum nächtlichen Gesang geworden? Auf der anderen Straßenseite finden wir eins mit Blick auf den Rhein. Geschlossen zwar, doch mit dem Hinweis dass die "Traube" die Zimmer vermittelt. Also zur "Traube". Hier ist der Wirt mit dem Bürgermeister im Gespräch, um den Lärm geht es, wird uns erklärt. Ein Zimmer hat er noch im eigenen Haus anzubieten. "Mit französischem Bett" wie er es ausdrückt. Es ist mehr eine enge französische Molle. Wir lehnen dankend ab, bringen die Vermittlung zum geschlossenen Haus vor. "Da ist noch frei, zum Frühstücken müssen sie dann hierher kommen. Ich zeige es ihnen, hole nur schnell mein Auto, ihrs können sie gleich mitnehmen, einen Parkplatz gibt dort auch" so die schnelle Reaktion des Wirtes. Nach kurzer Besichtigung haben wir eine Unterkunft. Draußen schwärmt der Wirt über Achims Mercedes, hat auch so ein Gefährt, noch ein Jahr älter. Ich störe ihre gemeinsame Schwärmerei mit den Hinweis: "Wir wollen noch bis Kestert wandern und wenn es auch nur 18 Kilometer sind, so läuft uns doch die Zeit davon. Das Schwärmen kann ja am Abend in der "Traube" weiter gehen". " Was, da wollen sie noch hin! Da müssen sie aber unbedingt unseren Rabenacksteig mit einbeziehen, der ist unser ganzer Stolz, da geht es über Leitern und Stiegen, aber alles nicht so schlimm. Er wird ihnen Freude machen". "Das machen wir, nur muss es jetzt aber losgehen, sind mit unserem Wanderungsbeginn, im letztem Jahr, schon 35 Minuten im Rückstand, der Tag ist bald zu Ende" erwidere ich. Wir schultern unseren Rucksack und gehen los. Über Treppenstufen, an Rebenreihen vorbei, geht es steil bergan. Der Ort liegt unter uns, der Rhein sichtbar. Dann zweigt ausgeschildert der Rabenecksteig ab. Wir klettern auf Leitern, die eben gewonnene Höhe wieder teilweise hinab. Über aufgelassene Weinterrassen, an Felswänden mit eingelassenen Eisenstäben hangeln wir uns wieder auf die Höhe. "Wenn das Christa sieht, die erklärt mich für total verrückt. Ich mit meinem künstlichen Knie hier auf Eisenstäben am Klettern, die "Torheit des Alters", jammert Achim. Hat ja recht der Gute, aber interessant ist es schon hier so am Hang. Zum Schluss führt uns dann noch ein Blindsteig zum markanten Ausblick hoch über den Rhein, direkt über unserer Unterkunft. Den schenken wir uns, zu ausgesetzt kommt uns der Steig vor und das Ganze wieder zurück, nein, wir wollen noch bis Kestert! Beobachten noch den Fährverkehr über den Rhein. Von St. Goarshausen nach St. Goar, immer den Bug gegen den Strom, hin und her. Rheinauf der Blick auf die Loreley. Morgen werden wir dahinten stehen! Auf ebenem Graspfad, neben farbigen Rebenreihen schlendern wir weiter. Eine Hinweistafel auf den Rabenecksteig mit vielen Verweisen auf die Natur, steht am oberen Abzweig. Der Rheinsteig hat uns wieder. Das nächste Ziel ist die Burg Maus oberhalb von Wellmich. Ein Wegweiser zeigt Burg Maus nach links, Burg Katz nach rechts; waren sich wohl nicht ganz Grün, die Erbauer. Gelbe Blüten mit fein belaubtem Stängel bringen mich ins Grübeln. Unbekannt. Nicht weit davon der Französische Ahorn, hier Felsahorn genannt, in Herbstfarben. Beide Arten wachsen nicht bei uns. Der Ahorn ist mir schon in Graz auf der Burg aufgefallen. Das gelbe, fein belaubte Pflänzchen? Ein Korbblütler doch sonst: Keine Ahnung, kein Buch dabei! Habichtskraut blüht in Felsritzen, am Fuße der Felsen. Karthäuser Nelken am Rand des Weges. Die Moschusmalve mit ihrem lang aufragenden Stempel von fünf Kronblättern eingefasst, erfreut uns noch, sind bestimmt ihre letzten Blüten in diesem Jahr. Eine Aussicht auf die "Maus" mit ihren runden Turm über dem Tal, Fluß und Ort im Herbstlaub gelegen, von der Sonne beschienen, hat schon was. Gefällt uns beiden! Auf der anderen Seite des Rhein die Burg Rheinfels mit gewaltigen, zerbröckelnden Aufbauten. Am Burgtor der "Maus" prangt ein großer Adler, ist geschlossen. Daneben die heutige Nutzung auf kleinem Schild: Standesamt. Wenn das Eheversprechen von so dicken Mauern gefasst wird, wird es auch so standhaft sein wie diese! Hoffen wir wenigstens. Tief herunter mussten wir um das Seitental zu queren, dafür ging es dann auch gleich wieder hoch hinauf. Am feuchten Wegrand blüht ein prächtiger Stängel Frauenflachs. Im Zickzack, an vergangenen Bergbaustollen vorbei, in die Höhe. Oben kommt uns ein Wanderehepaar entgegen. Ein kleiner Plausch. Kommen von Bornhofen, ca.5km weiter als Kestert, wollen dahin wo wir herkommen. Ausgerüstet mit Teleskopstöcken und modernsten Wanderoutfit klabastern sie sehr zügig bergab. Wenn sie so schnell auch den gegenüberliegenden Hang herauf tigern, dann Hochachtung. "Nehmt den Rabenecksteig mit, der ist was für euch" rufe ich noch hinterher. Sie halten, stehen unter uns in der Kehre. "Was"? "Den Rabenecksteig, der ist toll mit bester Aussicht" "Danke". Das Klappern der Stöcke schallt zu uns herauf. Bald währen wir nach Praht gelaufen, ging so schön geradeaus. Ein tüchtiges Regenschauer erwischte uns. Im Nu waren die Hosenbeine nass. Der Regenschirm war nicht zu benutzen. Kragen hoch, die Mütze samt Kapuze über den Kopf ging es mit eingezogen Schultern weiter. Das Schauer ist nach einer guten Stunde vorbei, Sonnenschein! Im Erzählen beinahe den Abzweig verpasst. Immer wieder schönste Blicke auf den Rhein mit seinen Burgen, Schiffen und beidseitig fahrendend, manchmal bis in die Höhe rauschende Züge. Unter uns Kestert. Ein dunkelrot gestrichenes Wohnhaus hebt sich schrill aus der sonst ansprechenden Bebauung. Mitten drin der Schienenstrang, teilweise mit halbhohen Schutzwänden versehen, sollen wohl den Zuglärm etwas mildern. Steil geht es bergab. Man soll es nicht glauben, am Waldrand neue Wohnbauten, schmucke Grundstücke in wunderbarer Lage mit Rheinblick. Bewundere im Stillen die Eigentümer; entweder schwerhörig, Eisenbahnfanatiker oder alles komplett Schall isoliert! Vielleicht sind sie auch schon voraus informiert das und wann der Zugverkehr eingestellt wird!? Suchen den Bahnhof. Die Gemeinde entschuldigt sich auf einer Tafel über den Zustand des selbigen. Vergammelt langsam aber stetig, kein Fahrkartenautomat. Laut Fahrplan muss der Zug hier halten. Ein Passant sieht unsere Ratlosigkeit. "Die Züge halten, Fahrkarten gibt es beim Schaffner" sagt er freundlich, grüßt und geht. Der Zug kommt, steigen ein, kein Schaffner, nächster Halt St.Goarshausen, steigen aus. Der Mercedes steht noch am selben Platz, schauen hoch zur Felszacke des Rabenecks auf der wir nicht standen, nehmen Reisetasche und Wasserflasche mit auf Zimmer. Ganz ordentlich. Der Rhein vor uns, gegenüber wieder die bizarren Aufbauten der Burg Rheinfels. Die Toilettentür ist aus Glas, von wegen Intimbereich. Das ist wohl einmalig! So sachte verstehe ich auch die Hotelaufgabe. Glastür im Lokus, das ist nicht mehr ganz so lustig. Na, zwei Nächte, wenn einer thront wendet sich der andere ab und in der Nacht wird einfach kein Licht gemacht! So ganz behaglich ist das alles nicht, zwei Nächte! Das Abendessen in der "Traube" ist gut. Frühstück gibt es um 8 Uhr.
Der 7. Oktober. Von St. Goarshausen nach Kaub. Besser als erwartet sind wir mit dem gläsernen Lokus zurecht gekommen. Um 8 Uhr stehen wir vor der verschlossenen "Traube". Licht ist an, die Tür zu. Andauerndes Klopfen hilft. Der Wirt murmelt so etwas von zugefallener Tür. Zwei Gäste frühstücken schon, hätten uns ja reinlassen können. Stoffels, ein Gespräch kommt nur schwer in Gang. Das Frühstück ist gut, sollen noch etwas für Unterwegs mitnehmen. Zwei Brötchen mit Streichwurst langen. Ich betrachte die Wanderkarte. Der Weg führt hoch in den Ort, zur Burg Katz zurück, wieder hoch auf die Höhe zur Ortschaft Heide. Das sind mindestens 240 Höhenmeter und noch mehr Strecke und Zeit. Auch der Wirt empfiehlt, am Rhein entlang bis zum Loreley- Denkmal am Hafeneingang zu laufen, dort unter der Bahn hindurch, den steilen Treppenweg mitten zwischen verwilderten Weinterrassen zur Loreley aufzusteigen. So machen wir es auch und sind nicht enttäuscht über die getroffene Entscheidung. Wunderbar, wenig begangen schlängelt sich der Weg, mehr Pfad am Hang hoch, immer wieder Ausblicke bietend. Acht Schwäne überfliegen uns. Ich denke an: "Es zogen einst fünf wilde Schwäne, Schwäne leuchtend weiß und schön - keiner ward mehr gesehen. Das soll uns nicht passieren, passen schon auf uns auf! Auf dem Loreleyfelsen werden bei unserer Ankunft gerade die Geschäfte geöffnet. Wir teilen uns die Ausblicke mit weiteren drei, vier Wanderern. Jede Aussicht wird genossen, niemand stört uns beim Betrachten, Wundern umher. Alles ist sauber gepflastert, aufgeräumt, für die Besucher hergerichtet. Es muss viel Geld verdient werden hier oben! Kitsch und Kaffee alles beieinander, aber trotzdem schön; so allein. Busse und Personenwagen bringen Gäste, wir wandern weiter. An einer der Schiefermauern die uns begleiten hängt plötzlich eine Ledertasche, will mich aufregen über den Müll, da sehe ich den anhängenden Zettel mit einem kleinen Sprüchlein. Sehe weitere Taschen, andere Gebrauchstücke mit Spruchzetteln. Manche verstehe ich, mit anderen ist nichts anzufangen. Neue Kunst! Künstler haben diesen Wegeabschnitt gestaltet. Weidenschiff, hängend am Baum, sieht einem Faltbootgerüst ähnlich, mit roten Bändern verziert. Blaue Blechgestelle mit körpergroßen menschlichen Ausschnitten, daneben aufgestellt. Achim stellt sich in einen der Rahmen; ein Kunstgenuss! Beachtenswert sind die bissigen Kommentare die von Betrachtern verfasst, an die Bäume geheftet sind. Von "wann wird der Scheiß wieder entfernt" bis gelungen. Das Erstere überwiegt aber eindeutig! Etwas weiter sägerauhe angestrichene, in Blau-, Gelb-, Brauntönen aufrecht stehende Bretter. Abstand dazwischen etwa so weit wie ihre Breite. Ein Werk von Heide Khatschurian. Die abgerissene Erklärungstafel liegt daneben. Ein Vierzeiler von Christian Morgenstern steht auch darauf. Ich lese dem Architekten Achim vor:
"Es war einmal ein Lattenzaun, mit Zwischenraum um durchzuschauen. Ein Architekt, der dieses sah, stand eines Abends plötzlich da, nahm den Zwischenraum heraus und baute daraus ein großes Haus".
Er sagt nichts dazu. Ich auch nicht. Mit breitem Grinsen sehe ich ihn nur an. Er straft mich mit Nichtachtung. Ein Blechplattenbär pflückt Äpfel von einem trockenen Apfelbaum. Ein aufsteigendes, einfältig dreinschauendes, männliches Eisenpferd bringt Erschrecken, besonders da es sich über einer Holzbank zum Himmel streckt. Kein Platz für uns. Weiter! Zwei späte Ginsterblüten erfreuen mehr. Die Waldrebe hat ihre silbern behaarten Fruchtstände über die Büsche gezogen. Ein Pillendreher hat in einem Moospolster ein braunes Spielfeld angelegt, alles Grüne abgefressen. Auf braunem Untergrund wandert er umher. Ein Feuersalamander auf dem Weg, sucht langsam Deckung. Ein alter Buchenstamm mit mehreren weißen Stachelbärten, noch nie wirklich gesehen, nur im Pilzbuch mal aufgefallen. Eine Besonderheit am Weg. Essbar? Werde nachsehen! Eine Herrenwandergruppe voraus, auch mit grauen oder keinen Haaren. Wir ziehen vorbei. Ein Pavillon mit Rheinblick lädt zur Rast. Bald tauchen die Herren auf. Suchen ein ungestörtes Plätzchen, finden eins am Sonnenhang abseits von uns. Beim Weitergehen taucht das schnell wandernde Paar von gestern auf. Wiedersehensfreude, sie haben den Rabenacksteig ausgelassen, zu kaputt gewesen am Abend. Wir wechseln die Plätze und wandern weiter. In der botanisch interessanten Dörscheider Heide wird noch einmal Pause gemacht. Kein Wasser mehr, beschließen in Dörscheid im Landgasthaus Blücher einzukehren. Heute nur für Übernachtungsgäste geöffnet. Weiter geht es ohne Trinken. Niemand mehr vor oder hinter uns. Beim kleinen Umweg durch den Ort sind die Überholten wohl schon wieder weit voraus! Uns stört es nicht. Der Rhein führt wenig Wasser, die Schiffe passieren sich mit engstem Abstand, überall Sandbänke und Felsen im Strombett. Eine ausgesetzte Passage mit Rundholzgeländer zur Rheinseite und Schiefermauern zur Bergseite führen uns durch einen Steinbogen eines Wachturms, jetzt Wohnung, nach Kaub. Bald kommt der Zug, mit kassierendem Schaffner. Der erklärt uns wie das so funktioniert mit der Fahrkarte. "Sie dürfen sich nicht setzen ohne Fahrkarte, immer den Schaffner suchen! Setze sie sich, ist das eine Schwarzfahrt und kostet 40 Euro! Für jeden!" Da haben wir ja gestern Glück gehabt! Oder haben wir uns nicht hingesetzt? Na, egal ist ja gut gegangen! Unser Deutsches Haus, das mit den Glastüren zum Lokus, in St. Goarshausen hat uns wieder. War eine der schönsten Wanderstrecken des Rheinsteigs. Bestimmt schwer zu übertreffen! Morgen früh fahren wir weiter, suchen ein Zimmer mit undurchsichtiger Holztür zur Toilette. Der rauschende Zugverkehr hat auch seine Vorteile für uns Wanderer, kann doch häufig und preiswert dazu, die gewanderte Strecke, zurück zur Unterkunft, oder zum Wanderstart auf Eisenrollen gefahren werden. Wenn nur das laute Rauschen dabei, abgestellt werden könnte!
Der 8. Oktober. Unser Auto parken wir in Kestert. Wandern den steilen Stieg zur "Alten Kuhtränke" hoch, zur Aussicht "Rheinburgenblick". Von hier geht es auf dem Rheinsteig weiter. Filsen ist unser Tagesziel. Bald sitzen wir in der Hütte "Hindenburghöhe". Verzehren Rotwurst mit geröstetem Schwarzbrot. Vor uns die "Feindlichen Brüder" die Burgen Liebenstein und Herrenberg, auf der anderen Rheinseite Bad Salzig. Unser Weg führt nun weg vom Rhein, am 326m hohen Meisenkopf, immer durch Wald in Richtung Lykershausen. Vor dem Dörfchen ein Steinkreuz mit dem Gekreuzigten. Im Ort bieten Selbstbedienungstische Gartenfrüchte und Getränke. Hinter Lykershausen freie Sicht über Äcker und Wiesen. Noch zwei Marterl im Wald. Dann die "Feindlichen Brüder" vor uns. Auf dem Liebensteiner Burghof blicken wir über die Mauer, betrachten Bad Salzig. Der gerade mit dem Einkauf zurückkehrende Burgwirt spricht uns an: " Na, schon wieder hier"? Vertraut führt er sein Gespräch weiter und ist dann schwer enttäuscht als er an unseren unverständlichen, dämlichen Gesichtsausdruck ableitet dass wir wohl doch nicht die Personen sind mit der er meinte zu sprechen. Wortlos bringt er seinen Einkauf nun in die Küche. Queren das Gutenbachtal, sind nun im Naturpark Nassau. Immer wiederkehrende wunderbare Ausblicke. Boppard mit seinen weißen Kirchtürmen. Der Rhein verschwindet in einer großen Rechtkurve hinter Filsen. Durch die Filsener Lei, einem in Auflösung befindlichen Obstanbaugebiet, erreichen wir, auf abschüssigem, holprigem, wunderhübschen Pfad, Filsen. Nach kurzem Warten bringt uns der Zug zurück nach Kestert. Unser Auto steht am Ortsanfang. Der Schienenstrang, der uns bis dahin begleitet, spielt seine rauschenden Sinfonien. Fahren rheinab, suchen ein Zimmer. Landen in Braubach. In der Bauernschänke ECK-FRITZ, einem alten verwinkelten Fachwerk, mit roten Balken, weißen Fächern. Direkt unter der Marksburg. Zwei Zimmer mit Bad. In einem Zimmer steht nur ein Zustellbett, wird gleich mit Achims Sachen vollgeplundert, nein säuberlich beschichtet. Achim hat auch das Zimmer besorgt. Nach drei Anläufen hat es geklappt. Die Dame im "Ersten" Haus am Platz wollte uns nicht. "Bestellt"? "Nein" "Nichts frei". Der Blick war mehr auf unsere Wanderstiefel gerichtet. Denke an Casablanca: "Schau mir in die Augen Kleines"! Nur auf die Schuhe ging ihr Blick! Die Nächste kommt schon beim Betrachten des Zimmerangebotes im Aushang auf die Straße. Bietet "ein Genusstraumzimmer". Was immer das ist! Wir wollten eins zum Schlafen. Verneinen ihr Angebot. Sie verschwindet im Gastraum. Lächelt hinter uns her. Neuer Anlauf. Dank Achims Scharm haben wir nun ein Zimmer. Er kommt freudig mit einem Schlüssel schwenkend zurück. Die Wirtin macht ein unzufriedenes, mürrisches Gesicht unter ihrem blonden, zum Zopf gedrehten langem Haar. Warum? Geht uns nichts an. Am schmalem Giebel unseres Wirthauses steht:
"Strömt herbei ihr lieben Zecher, Labet euch bei mir am Wein.
Und bei jedem neuen Becher, wird mehr Sorg verschwunden sein".
Sollte unsere Wirtin sich zu Herzen nehmen, oder schon zu häufig angewandt? Wir jedenfalls essen bei ihr bescheiden, aber gut, mit einem Schoppen Roten zu Abend.
Der 9. Oktober. Früh sind wir auf den Beinen. Der Zug nach Filsen fährt erst kurz nach 9 Uhr. Schlendern durch den Rosengarten zum Rhein. Dicke runde Rosenblüten. Wassertropfen auf den Blütenblättern zeugen von der feuchten, nebligen Luft. Die Marksburg noch nicht ganz nebelfrei, der Burgturm nicht sichtbar. Fahrwassertonnen markieren eine Kiesbank mitten im Strom. Bergauf stampfende Frachter, zwei weiße Flusskreuzfahrer. Hoffentlich klart es auf. Stehen im Zug für diese kurze Reise, bezahlen beim Schaffner. Filsen im Sonnenschein. Durch den Rest der Filsener Lei mit seinen Obstbäumen ist es richtig schön. Dann dunkler, feuchter Laubwald hier am Nordhang. Die andere Rheinseite, mit Wein bepflanzt im warmen Sonnenlicht. Viel lieber würden wir da entlang ziehen, nicht durch diese frische, schattige Nässe. Überlegen ob wir durch Osterspai laufen. Bleiben aber unter den Bäumen. Dort wo der Weg von Osterspai wieder auf den Rheinsteig trifft, eine große Wandertruppe die uns merkwürdig mustert. Grüßen verklemmt zurück. Die Aussicht auf das "Enge Türchen" versperren sie uns, macht nichts, finden bestimmt noch eine bessere Sicht darauf. Von dem ausgewiesenen Schloss Liebeneck sehen wir nichts. Zwei Gebetshäuschen links und rechts am Wege führen uns weit in das Bachtal. Oberhalb liegt die Domäne Marienberg. Vom gegenüberliegenden Hang, jetzt in der Sonne, wieder zurück in den Schatten. Im nächsten, dem Heiligenbach Tal aufwärts, dann weit zurück bis der Schienenstrang, Straße und Rhein unter uns liegt. Begleiten die Gleise ca. 500m, schwenken ab ins Gründlings Tal, steigen auf zu einem der schönsten Ausblicke. Kann auch sein dass ich so dafür schwärme, weil Achim eine Brotzeit fordert und ich auch etwas essen könnte. Pause mit Rotwurst und Rösteschwarzbrot. Zum Trinken haben wir genug Wasser eingesteckt! Unter uns "Das enge Türchen", ein von einem Damm, der sich "Auf dem Schottel" nennt, abgetrennter Flussteil des Rheines. Hier ist wohl der Rhein verengt worden um die Schifffahrtstiefe zu erreichen. Heute ein Naturschutzgebiet. Die nächste Aussicht bringt die Marksburg ins Bild. Von einer jungen lärmenden Wandergruppe, alle mit Teleskopstöcken ausgerüstet, werden wir vertrieben. Steigen ab ins Dinkholder Tal. Wieder dunkel und kühl. Steil auf Geröll empor ins Sonnenlicht. Warm wird es uns. Eben geht es weiter. Ein Parkplatz mit Imbisstand unterm Zelt. Nur Ausschank für Läufer mit Nummern auf Brust und Rücken! Wir wählen den linken Abzweig zur Martins Kapelle. Geschlossen das interessante Bauwerk. Weiter abwärts führt uns der Weg. Eben war die Marksburg noch unter uns, jetzt thront sie weit hoch auf einem Hügel über uns. Achim mosert: "Da will ich nicht mehr hin, wieder hoch, nein"! Ich zeige ihm die Karte aus der hervor geht das die Burg links von uns liegen bleibt. Er vertraut mir. Ich bin auch der festen Überzeugung, an der Burg laufen wir rechts vorbei. Mit wenig freundlichen Worten begrüßt er mich auf dem Burgvorplatz. Geben noch ein paar Euro für den Eintritt. Voll ist der Laden das es einem graust. Kein Platz in der Gastronomie, Schlangen vor den Treppen und Toren. Es langt; verlassen schnell den Historischen Ort. Achim murrt noch immer ein wenig " musste doch nicht sein hier hoch"! Im Eck-Fritz bei einem Schoppen Wein verfliegt sein Zorn endgültig! Er freut sich sogar da oben gewesen zu sein.
Der 10. Oktober. Von Bad Braubach geht es heute nach Lahnstein. Schnell sind wir auf der Höhe, der Kerketser Platte. Tolle Sicht auf die Marksburg. Im Blick links daneben, auf der nächsten Bergkuppe drei hohe Schornsteine. Den Touristen wird gern erzählt dass von dort oben die umliegenden Weinberge beheizt wurden. Heute braucht man das nicht mehr weil das Klima, wie ja alle wissen, wärmer geworden ist. Wieder runter von der Höhe, einen kleinen Bach queren und sofort wieder zwischen Felsen berghoch. Auf einer Fahrstraße durch den Ort "Im Einmuth". Eine eigenartige Ortsbezeichnung! Der Weg folgt linksseitig dem Schlierbach Richtung Aspich. Hier ist es feucht, fasst sumpfig. Noch blühende Bergminze (Calamintha menthifolia) begleitet das kleine Rinnsal, das den Weg unter Wasser setzt. Durch hohen Buchenwald geht es nach oben. Am Waldrand leichte Zweifel an der Beschilderung. Wir entscheiden dem Rheinsteig nicht weiter über die Hochfläche zu folgen. Lassen den großen Bogen zur Lahn aus, wenden uns nach links Richtung St. Martin - Lahnstein. Ein hübsches Tal führt uns unter Straßenbrücken hindurch, die Wohnbebauung verdeckt über uns, mitten in die Stadt. Schauen uns ein wenig um, Martinsburg, Kirche und was so alles interessant erscheint. Der Zug bringt uns zurück nach Bad Braubach. Auch hier noch einmal Stadtbesichtigung. Trinken Kaffee in der Konditorei Maaß. Der Laden ist voll mit Gästen. Erwischen gerade noch zwei Plätze. Kuchen und Kaffee munden. So lässt es sich auch leben, kurze Wege, ein wenig bummeln und dann noch Einkehren. Vielen Gästen sieht man diese Einstellung förmlich an. So ein bisschen, fremd in unserer Wanderbekleidung, fühlen wir uns in diesem Umfeld schon. Das Abendessen wieder beim Eck-Fritz. Wählen Rindersteak mit Pommes. Selten ein so gutes Steak serviert bekommen, Bestellen gleich für morgen Abend wieder eins. Doch Morgen hat die Küche Ruhetag.
Der 11. Oktober. Der Zug bringt uns nach Lahnstein. Laufen noch einmal durch die Stadt. Im Gegensatz zu gestern ist wenig Betrieb. Von der Lahnbrücke betrachten wir das berühmte "Wirthaus an der Lahn". Macht einen guten, gepflegten Eindruck, zur Einkehr einladend. Für uns noch zu früh und auch nicht gewollt. Der Lahn entgegen führt unser Weg, die Burg Lahneck rechts auf der Höhe, vor uns die breite Brücke der B42. Die Wehranlage mit Schleuseninsel. Oberhalb im Stauwasser, einzelne Boote vertäut. Ein Hausboot am Ende eines toten Flussarms. Bewohnt, doch ist eine Sanierung dringend angesagt! Hinter der Eisenbahnbrücke kommen wir mit der Ausschilderung etwas in Zweifel, sollen wir dem Weg direkt an der Lahn folgen, oder hochsteigen und auf dem Fußweg linksseitig der B260 weiter wandern? Etwas besser könnte die Ausschilderung, besonders hier schon sein. Laufen links der Straße. Ein Sportwanderer überholt uns. Er läuft hier häufig, von Paffendorf, Rheinufer, Niederlahnstein, durch die Ruppertsklamm hinauf zurück nach Pfaffendorf. So erzählt er uns wenigstens. Er begleitet uns noch bis zum Klammeingang, verabschiedet uns mit den Worten: " Gut dass ihr hinter mir seid, wenn mir bei der heutigen Feuchtigkeit etwas passiert, lasst mich bitte nicht liegen". Mit schnellen Schritten ist er verschwunden. Wir betrachten die aufgestellten Tafeln mit den Gefahrenhinweisen beim Begehen der Klamm. Wundern uns ein wenig über so viel Sorge um die Schluchtwanderer. Ein bisschen holprig geht es schon zu auf den teilweise rutschigem Schiefer, durch nasse, vom Wasser durchflossen Stellen, über rutschigen kleinen Stegen. Schön ist es, aufpassen muss man, doch so`n Terz braucht man deswegen nicht zu machen! Nur vernünftige Schuhe sollte man an den Füßen haben! Schnell lassen die holprigen, steinigen Passagen nach. Ein nasser Hohlweg führt weiter. Im Winkel von 90 Grad schwenkt der Weg, nun auf der Höhe bleibend im Tal zurück. Schöne Aussichten auf das Lahntal mit Wehr, Straßen, Brücken, der Burg Lahnstein, Die Klosterkirche auf dem Allerheiligenberg und dem Rheintal. Später kommt dann die Burg Stolzenfels auf der anderen Rheinseite ins Bild. Verwinkelt geht es auf dem Rheinhöhenweg zum Lichter Kopf hinauf. Der angekündigte hölzerne Turm, der zur Pause vorgesehen ist, bleibt uns verborgen, erst als das Zeichen in die Gegenrichtung zeigt, wissen wir, wir sind vorbei. Was soll es, auf einen Ausblick mehr oder weniger kommt es nicht an, tröste ich mich und Achim. Er sagt nichts. Möchte seine Pause! Hinter dem Wald an einer Wiese wird sie dann kurz eingelegt. Hinunter durch das Blenhorntal unter alten Kastanien. Von Pfaffendorf ist nicht viel zu sehen, liegt meist unsichtbar links und rechts des Tales hoch über uns. Hunde mit Anhang weisen auf die Nähe der Wohnbebauung. Ein Stückchen dem Rheinufer folgend, erreichen wir die Rheinbrücke der B49. Blumenkegel schmücken sie, weisen zur Bundesgartenschau. Durch den Eingang am Kurfürstlichem Schloss betreten wir die Buga. Es blüht in herbstlichen Farben. Beete in Weißtönen mit Winterastern, Salvien, dem weiß-haarigen Laub von Cinerarien. Beete in Rottönen, Dahlien, Chrysanthemen in braun-rot, Gräser. Für meinen Geschmack etwas zu dunkel gehalten. Alles hübsch und trotzt des nahenden Endes der Ausstellung gut in Schuss! Viele Besucher nutzen das gute Wetter. Auch das Deutsche Eck mit seinem Blumenhof ist gut besucht. Wandern umher, doch lockt die Reise in den Gondeln der Seilbahn über den Strom hoch zur Festung. Unter uns die Schiffe auf dem Rhein, neben uns Dame mit quengelndem Kind, die Kabinenwände mit Aufdruck behindert ein wenig die Sicht in die Weite und schon sind wir auf der Festung Ehrenbreitstein. Besichtigen das große, weit gestaltete Freigelände. Die Themengärten, den "Waldspaziergang" der Forstgemeinschaft. Die Schaugräber der Friedhofgärtner muss ich allein aufsuchen. Achim wartet derweil auf einer Bank im Sonnenschein. Der Besucherbeschau hat auch seine schönen und interessanten Seiten, hübsche junge Damen, herumtollende Kinder mit hinterherlaufenden besorgten Elternteilen, Herren mit goldenen Ohrringen, turtelnde Paare, vorneweg laufende Männer mit blustrigem Anhang, fachsimpelnden Damen, fotografierenden jungen und älteren Männern, Mütter Kinderwagen schiebend mit schlafenden auch nörgelnden Kleinkindern, Männer und Frauen mit Notizblock und Schreiber, eifrig aufschreibend, wie spätestens im nächstem Jahr der Garten werden soll. Köpfe mit langen Haaren, kurzen oder keinen, mit oder ohne Hüten, Hintern in prallen Hosen. unter Röcken verborgen. Achim hat sich nicht gelangweilt während meiner Gräberschau. Er freut sich bei meinem Auftauchen. Gastronomie mit vielen leeren Plätzen, volle Hallenschau. Nur kurzer Durchgang, Viele Orchideen und Anthurien in stickiger Luft, Gedränge. Die Festung, teilweise in die Schau einbezogen, mit weniger Besuchern. Andrang nur bei der Rheinsicht. Wir verlassen die Festung über die Zufahrtsstraße. Ein Treppenweg zweigt zum Ort Ehrenbreitstein ab. Im Nu sind wir am Bahnhof und erleben die Überraschung: Kein Zug fährt nach Bad Braubach, alles über Koblenz auf der anderen Rheinseite. Auch kein Bus, alles nach Koblenz. Die Personenfähre bringt uns auf die andere Rheinseite, vielleicht fährt ja ein Schiff den Rhein hinauf! Nur für ein Ausflugschiff zur "Drei Burgenfahrt" wird noch geworben, doch das fährt auch nur, wenn mindestens 20 Personen teilnehmen wollen erklärt uns die Ticketverkäuferin. "Eine Rundfahrt wollen wir nicht, Bad Braubach ist unser Ziel" erkläre ich ihr. "Um 18.10 Uhr fährt noch die Linie, hat aber mindestens 20 Minuten Verspätung, wollen sie da mit? Karten können sie gleich bei mir kaufen, ich schließe sofort, das Schiff kommt aber, können sich darauf verlassen". Kaufe zwei Karten. Warten auf das Schiff. Dunkle Wolken hinter der Festung hoch auf dem Berg. Diese im Sonnenschein. Das Abendlicht lässt sie ganz nah erscheinen. Die Gondeln gondeln immer noch über den Rhein. Wir warten. 12 -16 weitere Fahrgäste warten mit uns, beruhigen mich ein wenig. Ein Schiff kommt, nicht unseres, ein Zweites, wieder eins, alle nicht für uns, machen fest, Feierabend. Unser Schiff nutzt die 20 Minuten übervoll aus, doch es kommt und nimmt alle mit. Stromauf geht die Reise. Die Sonne legt alles in wunderbares Licht. Alle stehen oben auf Deck. Der Wind, kalt, stromab uns ins Gesicht pustend, treibt die ersten schnell unter Deck. Den ganzen Tag haben wir unsere Jacken mitgeschleppt, mummeln uns ein, trotzen dem kaltem Winde, wenden uns der verschwinden Festung zu. Der Schatten wandert den Hang hinauf. Ein letztes Aufleuchten, hinter der Flussbiegung ist sie verschwunden. Mal rechts, mal links den Fluss kreuzend, werden Anlegestellen angefahren. Ein, zwei, drei Mitfahrer steigen aus, werden auf ihrem Heimweg ins Hotel von uns mit den Augen begleitet. Die Nacht bricht an, kein Sonnenlicht mehr. Uferlampen, erleuchtete Fenster, Scheinwerfer der fahrenden Autos, Schifffahrtszeichen blinken. Bad Braubach ist die zweitletzte Anlegestation. Unser Schiff legt gar nicht richtig an, tuschiert den Anleger und wir sind mit Hilfe eines Matrosen, wenn es den einer ist, an Land, in Bad Braubach. Die Marksburg im Scheinwerferlicht grüßt uns zu Abend. Unser Eck-Fritz hat Ruhetag, zum Essen gibt`s da heute nichts. In Ehrenbreitstein, beim Warten auf die Personenfähre nach Koblenz sprach uns ein heimischen Ehepaar an. Woher wir kommen, wie unsere Wanderung weiter geht, wo wir übernachten. "Wenn sie in Bad Braubach wohnen müssen sie unbedingt im ersten Haus am Platze, gleich hinter dem Torturm einkehren. Hervorragende Küche, höher im Preis aber gut." Ihre Empfehlung. " Achim das ist das Haus was uns so schnöde abgewiesen hat, probieren wir es noch einmal mit seiner Küche". Es bleibt dabei, wir kehren ein im ersten Haus am Platze. Hübsch ist das Ambiente, warm die Stube. Stehen im Eingangsflur, geradeaus der Empfang mit nach vorn gebeugter Dame, schaut auf, kommt auf uns zu. Ich denke noch, ein neues Gesicht. Sie taxiert uns, über Kopf, Rucksack, Jacke, Hose, Stiefel und legt los:"Haben sie gebucht"? "Nein". "Kein Zimmer frei"! Kein Gruß, keinen guten Tag oder sonst was; nur "haben sie gebucht" eine eigenartige Ansprache. "Wir möchten etwas essen, kein Zimmer". "Ach so! Entschuldigung, bitte nehmen sie Platz". Sie nimmt uns die Jacken ab, bringt sie zur Garderobe. Die Rucksäcke nehmen wir mit zum Platz. " Ich dachte sie sind Wanderer und suchen ein Zimmer. Bitte hier ist ein netter Tisch". Mit diesen Worten begleitet sie uns an einen der freien Tische. Wir sind die einzigen Gäste zu dieser Stunde. Ein weiterer Herr an der Theke, wie sich später heraus stellt ein Mitarbeiter des Hauses. Bestellen ein Bier für mich, für Achim ein Glas Rotwein. Studieren die Speisekarte, wählen ein Gericht im zweiten höheren Drittel der Karte. Exzellenter Gruß des Hauses, mit Pfiff gestaltetes Hauptgericht, das Fleisch nicht so wie erwartet, fade im Geschmack und trocken, doch wiederum nicht so schlecht um es zurück zu geben. Beim Abräumen die Standartfrage: "Hat es geschmeckt"? Wir tragen unseren Mangel vor. Sie ist nicht einverstanden mit unserer Kritik, versteht uns nicht. Wir verlangen die Rechnung. Schnell liegt sie auf den Tisch, vornehm, verdeckt in einem Heftchen gefaltet. Achim unser beider Kassenwart wird blas um die Nase, zählt unsere noch verbliebene Scheine. "Otto das langt nicht". Ich überfliege die Rechnung. Eine Flasche Wein für 65 Euro steht darauf vermerkt, klappe das Heftchen zu, rufe die Bedienung. "Bitte, wir möchten unsere Rechnung", schiebe ihr das Heftchen zu. Verwundert schaut sie, geht mit der Rechnung davon. Bringt das Heftchen zurück. "Entschuldigung, so stimmt es, ein Versehen". Ich zähle die Getränke durch. Ein Bier und ein Glas Wein ist immer noch zuviel berechnet. Das Spiel wiederholt sich. Rechnung zurück. Ohne weitere Ansprache wird die neue Rechnung im Heftchen uns auf den Tisch gelegt. Ist wohl sauer die Dame? "Achim, nun stimmt es"! Achim legt zwei Fünfziger in das Heftchen. 89, 40 Euro sind fällig. Die Dame nimmt wortlos das Heftchen und verschwindet. Verschwindet wirklich! Das Wechselgeld kommt nicht zurück! Wir warten. Keine Dame kommt. Trete an die Theke. Warte. Der Thekengast erhebt sich verschwindet in der Küche. Wortlos kommt die Dame zählt mir 10 Euro 6o in die Hand und geht. Wir holen unsere Jacken, verabschieden uns von einem verwunderten Gast, der während unseres Speisens am Nebentisch Platz genommen hatte. Der wird seine Rechnung bestimmt überprüfen! Wir waren unter die Räuber geraten! Oder wie soll man dazu sonst sagen? Ein unschöner Abschluss des Wandertages. Gut, dass wir noch einen mit Korken verschlossenen, roten Schlummertrunk auf dem Zimmer haben!
Der 12. Oktober. Von Sayn nach Ehrenbreitstein. Nach dem Frühstück verlassen wir unsere schöne Bleibe beim Eck-Fritz. Achim währe gern noch geblieben. Ich sage immer: Nach dem dritten Tag werden die Gäste gefressen. Bei den Kannibalen in den Urwäldern soll das so gewesen sein, gestern Abend waren wir schon in so ein Milieu geraten. Bettenwechsel war angesagt. Unser Auto bringt uns nach Sayn. Parken hinter dem Schloss, auf den Platz oberhalb des Kurparks. Nur ein weiteres Auto steht noch da. Habe Achim überreden können die 24,5km bis Ehrenbreitstein unter die Sohlen zu nehmen. Er hatte zwar leichte Einwände, doch auch in unserem Büchlein wird die Strecke als leicht bewertet. Über die Schlossterrasse, zwischen Tisch und Stühlen des Restaurante hindurch geht es erst einmal hoch zur Burg Sayn, weiter steil auf bis zur Schutzhütte Oskarhöhe. Dann ins Tal des Brexbaches. Eine alte Pfadfinderlagerstätte, zugewachsene Wiese mit Bänken und Hinweisschildern. Wieder hoch hinauf zum Pulverberg mit seinem Limesturm - Nachbau. Sieht gut aus, aber verschlossen. Zum ersten Mal sind die Rheinsteigwanderschilder zerstört, abgebrochen liegen sie umher. Späte Rache versprengter Römer? Die Gaststätte Meisenhof bleibt rechts liegen. Durch abgeerntete Felder führt uns der Weg runter in das Großbachtal, Wieder hoch an Sportanlagen vorbei, weiter Äcker beidseits des Weges. Plötzlich ein Zwitschern und ein Geschossknall. Erschreckt stehen wir, was ist los, galt das uns? Rehe rennen über Acker, ein Mercedes-Geländewagen steht am Wegrand hinter einem Gebüsch, fährt langsam auf uns zu. Bleibt stehen, wendet auf schmalem Weg und fährt ohne Eile davon. Zu weit weg, kein Nummernschild zu erkennen. Hat sich der Schütze genau so erschreckt wie wir? Wildwest am Rhein. Queren eine Landstraße. Die Unterführung der B48 ist niedrig. Die Brücke war für einen hochbeladenen Anhänger wohl zu tief. Ein Berg von gehäckseltem Mais liegt breit gefahren davor. Laufen am Wüstenbach, an der Schnatzenmühle vorbei hoch zum Wüstenhof. Hier erinnert eine Säule an Goethe, der hier sein "Heideröslein" geschrieben haben soll. Mitten durch Vallendar, an der Kirche vorbei ins Wambachtal. Durch trostlose, abgeerntete Felder, die Wege sind von den Landmaschinenrädern zu Matsch gefahren. Irgendwo ist unser Weg gesperrt, eine Umleitung ausgeschildert. Laufen wieder etwas verkehrt, treffen auf selbst gesuchten Pfaden wieder den Rheinsteig. Dann eine Bushaltestelle, viel Personenverkehr, wir sind am Nordeingang der Buga. Der Rheinsteig führt durch die Ausstellung. Eine Umleitung bringt uns in die Ortschaft Ehrenbreitstein. Die Umleitung meidet die Hauptstraße, Durch den Ort, an Schrebergärten vorbei leitet sie uns, nur die letzten Meter auf der Hauptstraße zur Bushaltestelle an der Rheinuferstraße B42. Gestern hatte ich den Fahrplan angesehen und wusste, eine direkte Verbindung nach Sayn besteht. Nicht lange da kam der Bus auch an und brachte uns nach Sayn zurück. Es hatte sich eingetrübt. Unser Auto, nicht unser, sondern Achims stand, jetzt mit anderen Fahrzeugen unversehrt auf dem Parkplatz. Nun brauchten wir noch ein Zimmer für die Nacht. Die Touristinformation im Schloss war noch offen. Sehr freundliche Auskunft bekamen wir, nur kein Zimmer mit Frühstück. "Im Hotel, hochpreisig, ist das kein Problem bei uns, aber sonst gibt es bei uns nichts", so die Vermittlung in Sayn. "Wo können wir denn sonst Übernachten"? " In Rengsdorf, da werden Zimmer mit Frühstück angeboten, ich rufe da einmal an", ihr Angebot. "Bitte". Es klappte dann auch in Rengsdorf in einer Pension, sauber, doch irgendwie Altbacken. Hatten zwei Zimmer zur Auswahl, wählten das zur Straße mit Aussicht auf den Ort. Zum Abend landeten wir dann bei einem Italiener an der Durchgangsstraße. Reger Verkehr mit vielen Lastern, im kleinen Gang die steile Ortsdurchfahrt erklimmend. Umgangstraßen sind schon viele gebaut worden, auch unsinnige, aber hier fehlt wirklich eine. Leere Häuser und Wohnungen unterstreichen das. Es ist die B256! Schliefen ganz gut mit geöffnetem Fenster. Gegen Morgen klang das Gebrumm der Laster zu uns ins Zimmer. Ordentliches Frühstück, deftiger Miselregen draußen. Wollen, nach gestrigen gemeinsamen Beratung die Überlandstrecke von Sayn bis hierher auslassen und von hier nach Leutesdorf am Rhein wandern. Diese Strecke erscheint uns von der Karte her reizvoller. Von dort fährt dann der Bus über Neuwied, zurück nach Rengsdorf. Der nicht nachlassende, durchdringende feine Regen beendet jedoch unsere Wanderpläne. Zu rück nach Hause, den letzten Tag im Regen laufen möchte keiner von uns beiden. Ruckzug sitzen wir im Auto. Heim geht es zu Rita und Christa. Einen Tag früher als geplant sind wir wieder in Bad Harzburg. Bis kurz hinter Göttingen wischte der Scheibenwischer feine Regentropfen von der Windschutzscheibe. Es war eine schöne ereignisreiche Wanderung. Die Strecken durch die Felder nach der Ernte sind nicht so reizvoll. Im Sommer und Frühjahr mag das anders sein! Sehen wir mal was der Rest des Rheinsteigs zu bieten hat. Im nächstem Jahr? Vielleicht?
In der Dörscheider Heide, in einem Naturschutzpavillon fand ich das unbekannte gelbe Blümchen abgebildet. Die Goldhaar-Aster (Aster linosyris) ist es.
Otto Pake