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Vom Bodensee zum Lago Maggiore 

Am 26.09.2012

Abschied am SĂ€ntis.
Willi, Werner, Achim, Bodo und Otto sind unterwegs. Ein bunter Haufen, bei dem nicht jeder Jeden kennt. Doch dazu bringen ja die nĂ€chsten Tage genĂŒgend Zeit, wenn man gemeinsam mit dem Rucksack unterwegs ist und jeder seine eigene Last durch die Gegend schleppt.
Die RucksÀcke sind meist sehr stramm gepackt, die Herren stabil von Statur, kraftstrotzend mit jugendlichen Wanderelan.
Wir sind den zweiten Tag unterwegs. Kommen vom GĂ€bris (1246) stehen in Gais auf dem Bahnhof, wollen mit dem Zug nach Weissbad hinter Appenzell, um dem Marsch auf der Straße auszuweichen.
Alles klappt bestens. Der Zug kommt bald und bringt uns nach Weissbad. Im Zug werden wir von einem Wanderer angesprochen, er will auch hoch zum SĂ€ntis, auf der Ebenalp will er ĂŒbernachten. Das ist fĂŒr Heute auch unser Ziel. Er fĂ€hrt aber weiter bis Wasserauen und von dort mit der Seilbahn
hoch. Wir wollen wandern, steigen in Weissbad aus. Ein Wiesenpfad nimmt uns auf. Vor uns der Klotz der Ebenalp. Bald wird es steil, sehr steil. Die Jacken wandern auf den Rucksack, die Brust muss frei sein, der Schweiß rinnt. Stöhnen der Breitschultrigen. Am Berggashaus Äscher Pause. Weiter ĂŒber die Wildkirchli-Höhlen, Altar- und Gasthaushöhle. Landen auf dem Plateau der Ebenalp. Nicht nur das Gasthaus in Sicht, sondern auch die
Tragemasten der Seilbahn und die dazu gehörende Bergstation. "Wenn ich das gewusst hĂ€tte wĂ€re ich mit der Bahn hoch", murrt ein Breitschultriger mit großem Rucksack. Ich grinse, der indirekte Vorwurf geht mir hinten vorbei.
Auf der Ebenalp werden wir vom Wirt begrĂŒĂŸt. Der Gondelfahrerwanderer aus dem Zug hat uns angemeldet. Es ist spĂ€t geworden mit unserer Ankunft, er hat uns sozusagen schon herbei geguckt.
Schnell haben wir die Zimmer bezogen und essen ein Hausgericht zu Abend. Bodo, unser weitgereister, weltgewandter Beamter aus dem öffentlichen Dienst, bestellt als Nachtisch eine Appenzeller- KĂ€seplatte. Mit einem Glas Weißwein und trockenem Weißbrot, ein schweizerischer Genuss. Bald sitzt auch das Wirtsehepaar mit an unserem Tisch. - Wenig GĂ€ste auf der Ebenalp. -"Wie weit morgen" die Frage der Wirtin. "Hoch zum SĂ€ntis". "Das geht ja, da seid ihr bald da. Unsere Mutter ist immer am Morgen frĂŒh los und war am spĂ€ten Nachmittag wieder zurĂŒck, Kein Problem der SĂ€ntis", so die Auskunft der Wirtsleute. Darauf noch einen Schoppen und dann ins Bett.
Die Sonne meint es gut mit uns am nĂ€chsten Morgen. Ein kĂŒhler leichter Wind zwingt uns in die Jacke. Erst geht es ein wenig bergab zu einer Senke. Nun wieder steil empor zum Berggasthaus SchĂ€fler. Die Schweizer Flagge begrĂŒĂŸt uns, leicht wedelnd, schon von weitem. Kehren nicht ein, wandern weiter und genießen die reine Luft und die Ausblicke in die TĂ€ler und auf
die Höhen.
In meinem ReisefĂŒhrer, (Walz Wanderferien Verlag Reinhold Grupp. Vom Bodensee zum Lago Maggiore) steht: "War die Wanderung bis zum SchĂ€fler 1900m, noch ein Spaziergang, so ist die heutige Etappe eine handfeste Bergtour". Wir sind guter Dinge und demmeln sachte auf den noch
unsichtbaren SĂ€ntis zu". Mit schnellem Schritt saust ein bepackter Japaner an uns vorbei, bald unseren Augen entschwunden. Am dritten, dem heutigen Tag spĂŒren wir die Last unserer RucksĂ€cke! Oder ist's der Wein, mit dem Appenzeller des vergangenen Abends, der uns drĂŒckt?
Der Weg wird schmal, mal mit Seilen und Treppchen gesichert, mal geht's nur ĂŒber dicke Felsbrocken, mal etwas runter, doch sofort wieder steil hinauf.
Kommen auf Geröll-Schutt, der Blick sucht den nĂ€chsten festen Tritt. Beim Aufschauen plötzlich ĂŒber uns der SĂ€ntis. Noch 400 Höhenmeter!
In einer Ecke sitzt zusammengekauert der SchnelllÀufer-Japaner. Pustet vor sich hin, spricht nicht mit uns. Sollen weitergehen sein Handzeichen.
Das angekĂŒndigte Schneefeld ist weggeschmolzen. Pfadlos ĂŒber wacklige Steine. Wir fĂŒnf sind weit auseinander gezogen. Durch die Suche nach dem besten Aufstieg habe ich mich etwas abgesetzt von den Vieren. Werner schnauft hinter mir. Auf dem Girensattel, kurz unterhalb des Schlussanstiegs des SĂ€ntis-Gipfel warte ich. Keiner kommt! Rufe Werner. Keine Antwort.
Lasse meinen Rucksack liegen und steige ab. Nicht weit, da sitzt er mit roter Birne und schnauft: " Komme gleich"! Bodo, Achim und Willi steigen unterhalb noch durch's Geröll. Nehme Werners Rucksack mit nach oben zum Girensattel. Warte einen Moment, doch es kommt niemand.
Schultere meinen Rucksack und steige auf einer Stahlleiter hoch zum Gipfel. Nicht ganz, vor dem Tunnel, der nun folgt lasse ich meinen Rucksack liegen. Steige ab und hole Werners hoch. Als ich wieder unten bin sitzt mittlerweile Werner und Bodo auf dem Girensattel.
Bodo bittet mich auch seinen Rucksack hinauf zu bringen. Wortlos schnappe ich das Ding werfe ihn auf die Schulter. Gewollt ja, aber gekonnt - nein - zu schwer das Ding. Bodo hilft mir das schwere Biest zu schultern. Steige wieder die Stahlleiter hoch. Ich denke der ganze Bodo sitzt im Rucksack,
so schwer wird mir dieser! Am Ende der Leiter falle ich mit Bodos Rucksack einfach zwischen Werners und meinen, bleibe liegen. Das schwere Biest hat mich umgehauen! Mein Herz tobt. Die GerÀusche eines Leitersteigers bringen mich wieder auf die Beine, schnappe meinen Rucksack laufe wie betrunken durch den Tunnel. Nie wieder Bodos Rucksack!!
In der Bergstation der Seilbahn sind wir wieder beisammen und mein Herz schlĂ€gt wieder den normalen Takt, will sagen es ist nicht mehr zu spĂŒren. Leise, bestĂ€ndig und unauffĂ€llig tut es seine Dienste.
Denke, der schnelle Lauf der Oma von der Ebenalb zum SĂ€ntis und zurĂŒck ist bestimmt mit Besen und Flugbenzin der Harzer Brockenhexen erfolgt!
Oder sind wir doch norddeutsche Weicheier?!
Hier auf dem Gipfel ist ein Betrieb wie bei unserer Rennwoche vor den Wettschaltern. Ein Unruhe -Gipfel! Finden Quartier im Berggasthof.
Beim Abend Bier bzw. Wein, jeder ist seines GlĂŒckes Schmied, rĂŒcke ich zu Bodo: "Was in aller Welt schleppst du mit dir umher. Dein Rucksack wiegt soviel wie alle Anderen zusammen"! "Alles was ich brauche", meint Bodo. "Was in aller Welt brauchst du mehr als wir, manche sĂ€gen den Griff
ihrer ZahnbĂŒrste ab damit der Rucksack leichter wird und du sagst alles was ich brauche! Deinen Rucksack fasse ich so nicht wieder an. Mach ihn leichter"!
Bodo ist ein Kluger. Er packt ein PĂ€ckchen, so um die fĂŒnf oder mehr Kilo und schickt es vom SĂ€ntis Heim. Stöhnt ĂŒber die teure PostgebĂŒhr.
"Von was hast du dich getrennt" frage ich tĂŒckisch. "Na, den Föhn--" , weiter kommt er nicht. Ein unkontrollierter Lacher haut mich bald wieder um. "Was einen Föhn". "Ja" Nun muss man aber wissen, dass der Haarschopf unseres Bodo nur aus einem lockerem Flaum einzeln stehender, kurz geschnittener Haare rund um sein Haupt besteht.. Schon beim einmaligen krĂ€ftigen Zuschlagen einer TĂŒr sind sie, sollten sie einmal nass sein, staubtrocken. Wenn dann doch noch nicht ganz, macht man die TĂŒr halt noch einmal auf und mit Schwung wieder zu!
Dann ist das Trocknungswerk bestimmt vollendet. Und der Mann wandert mit einem echten Föhn im Rucksack! --Der mit dem Wolf tanzt -- kommt mir in den Sinn. -- Der mit den Föhn wandert -- der nÀchste
Gedanke. "Bodo der FöhntrÀger" war geboren. Verbringen einen lustigen Abend auf dem SÀntis (2503m). Ein prÀchtiger Sonnenuntergang, der
alle auf die Aussichtsterrasse lockt, als Tagesausklang.
Rot leuchten die umliegenden Gipfel, HĂ€nge, TĂ€ler, der Bodensee als Feuertopf mit hellen Nebelschwaden. Unvergesslich dieser Tag. Am Morgen ist alles bereift. Weiße Reif-Kristalle und weiße Nebelwolken haben die dunkle Nacht vertrieben, wie die Nacht das rote Leuchten des Abends gelöscht hat, als wĂ€re es nie gewesen. Der Reif tropft in der Morgensonne ab. Eingepackt in warme Sachen machen wir uns auf den Weg. Über den Lisengrat zum Rotsteinpass nach Unterwasser, von da mit der Seilbahn zum ChĂ€serrugg (2250m) nach Walenstadtberg wollen wir.
Gestern Abend habe ich aus unserem WanderbĂŒchlein die weitere Passage ĂŒber den Lisengrat vorgelesen. Das besondere Schmankerl des Tages. Besichtigt wurde er auch und niemand machte auch nur ein Zeichen von irgendwelchen Ängsten und Bedenken. Heute wurde der Grat mit dem
feuchten Drahtseil als Handlauf kritischer betrachtet. Wollen wir? Wir wollen.
Achim vorneweg, ich dahinter, dann Werner, Bodo am Schluss Willi. Achim hat die luftige Passage des Sattels schon bald ĂŒberwunden, Werner hinter mir stockt. "Ich drehe um" seine Stimme von hinten, Bodo schließt sich an und Willi wird zur Umkehr leicht von den beiden verleitet. Es ist auch
eng und nicht ungefÀhrlich auf dem Grat aneinander vorbei zu zu gehen.
Wie getrieben hasten die drei Breitschultrigen zum Beginn des Lisengrates zurĂŒck. Stehen wieder am Einstieg des Grates. Achim und ich queren rĂŒber. "Fahrt mit der Bahn runter und mit dem Bus nach Unterwasser, am Bahnhof zum ChĂ€serugg treffen wir uns wieder" rufe ich rĂŒber ". " Ja, Bahnhof Unterwasser" schallt es zurĂŒck.
Nun sind wir zu zweit allein. Treffen niemanden, der Weg ist gut. Anspruchsvolle, angenehme, weitgehend gefahrlose, mit dĂŒnnen NebelbĂ€nken durchsetzte Wanderung. Erst an der Rotsteinpass-HĂŒtte die ersten Wanderer. Die Sonne hat den Dunst vertrieben. Herrliche Sicht.
Von hier noch drei Stunden bis Unterwasser. Es lĂ€uft gut und am Abzweig zum ChĂ€mmerlitobel schlage ich Achim vor, diesen kleinen, im Wanderbuch empfohlenen, Umweg mit zu nehmen. Sein Meutern ist von kurzer Dauer, das Erlebnis der stĂŒrzenden Wasser eindrucksvoll!
Bald sind wir im Toggenburger Kurort Unterwasser. Unser Weg fĂŒhrt direkt zur Talbahnstation der Seilbahn zum ChĂ€serrugg. Fragen ob unsere Drei
schon angekommen sind. Sind sie nicht. ErklĂ€ren dem Herrn der Fahrkarten die Situation, bitten ihn unsere RucksĂ€cke bei ihm lassen zu dĂŒrfen, fragen nach einem guten Gasthaus. Möchten etwas zu Mittag essen. Die "Post" wird uns empfohlen. "Wenn sich die Drei melden sollten rufe ich dort an"
sein Angebot. "Toll, danke, also zur "Post".
Nach dem Essen, so eine Stunde spĂ€ter machen wir uns wieder auf zur Station. Niemand da gewesen. Gehen wieder ins Dorf, ein anderes Gasthaus mit AußenplĂ€tzen im Sonnenschein, Bushaltestelle im Blick. Warten, schleckern ein Eis und ĂŒberlegen wo die Drei wohl stecken. StĂŒndlich kommen Busse an. Alles Fremde die den Bussen entsteigen. Laufen wieder zur Talstation der Bergbahn. Ein Radfahrer kommt uns entgegen. Es ist der Herr der Fahrkarten. " Ich suche euch schon. Mein Kollege aus Wasserauen hat angerufen , die drei Herren sind in Wasserauen und kommen nun mit dem Bus nach Unterwasser, wir sollen schon mal Quartier machen", teilt er uns mit. Da hat der Herr der Fahrkarten tatsĂ€chlich seine Fahrkartenausgabe geschlossen um uns zu suchen! Da soll noch mal einer sagen " Die spinnen die Schweizer", sie ticken nur freundlicher! So einen Service bei unserer Bergbahn, -- NIE --wĂŒrde ich sagen!
Wir machen also Quartier bei Familie HĂŒrlimann. SpĂ€t am Abend steigen die Drei aus dem Bus, schlendern erzĂ€hlend an uns vorbei, beachten uns nicht, sind auf dem Weg zur Bahnstation. Erst ein Pfiff bringt sie aus dem ErzĂ€hlen. Wir haben uns wieder. "Wir waren am Morgen schon einmal hier, doch der Busfahrer sagte hier gibt es keinen Bahnhof und da sind wir gleich mit ihm weiter gefahren, um zum Bahnhof nach Wasserauen zu kommen".
Ihr Kommentar zu ihrer Irrfahrt. Otto du hast Schuld an der ganzen Misere, du hast "Bahnhof" gesagt und den gibt es hier nicht.
HĂ€ttest du Bergbahn-Talstation gesagt, ja dann"! Schon habe ich den "Schwarzen Peter"! Ich nehme die Schuld auf mich und gebe eine Runde fĂŒr alle. Da hat einer nun tatsĂ€chlich "Bahnhof" verstanden! Bodo der FöhntrĂ€ger bestellt als Nachtisch wieder "Appenzeller". Da wird unser Wirt energisch, laut und deutlich weist er daraufhin: Wir sind in Toggenburg und da wird unser KĂ€se gegessen, da kann sich der "Appenzeller" hinter verstecken. Hier wird Toggenburger serviert. Ihr werdet staunen". War es die Wiedersehensfreude oder wirklich der ToggenburgerkĂ€se?
Ein schöner Abend mit prÀchtigen Wanderfreunden, allemal.

Otto Pake

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