Es ist Freitag,es ist trübe,der Himmel verhangen und kälter als die vorherigen Tage. 7 Grad zeigt das Thermometer in der Frühe. Auf dem Parkplatz gegenüber vom Eckerkrug bleibt das Auto stehen. Über die Weste habe ich noch die Regenjacke gezogen, auch der Schirm ist dabei.
Lasse das alte Forsthaus rechts liegen, biege nach links auf dem schmalen Pfad zur Ecker ab.
Das Forsthaus hat Geschichte: Erst als Forsthaus, dann letztes Haus in Niedersachsen, leer, etwas vergammelt, umgebaut als Deutschlandhaus zur Gedenkstätte mit Aussichtstürmchen vor der Ecker, auf der hier endenden Straße mit Blick über die innerdeutsche Grenze nach Sachsen-Anhalt, nach Stapelburg. Dann für viel Geld neu umgebaut, renoviert. Nur für kurze Zeit neu eröffnet. Nach Ende der DDR aufgegeben, leer stehend. Der Verkehr rauschte auf der B6, über die neue Eckerbrücke nach Sachsen-Anhalt am Eingang des Hauses lärmend vorbei. Später preiswert an Privat verkauft und so immer noch genutzt. Der Verkehr dank der B6 neu ist weniger geworden.
Hier endete der Verkehr. Kein Fußgänger, Radfahrer, kein Auto. Für alle war Schluss auf dem Türmchen.
Rübergucker wurden von der anderen Seite, von den Grenztruppen der DDR fotografiert.
Auf Niedersächsischer Seite der Ecker patrouillierten die Zöllner auf ausgetretenem Pfad direkt neben der Ecker. Auch wir benutzten den Pfad zum hinüberschauen, zum wandern. Niemand störte sich daran. Nur Schilder mit der Aufschrift: "Bachmitte Grenze", die alle paar Meter aufgestellt waren begleiteten uns, wiesen auf die deutsche Teilung hin. Traf man einen Zöllner wurde gegrüßt. Traf man Grenztruppen erfolgte meist nur ein einseitiger Gruß. Entweder wir wurden missachtet oder kamen ins Fotoalbum. Später behinderte der hohe Metallzaun den Blick.
Beim Bau dieses Zaunes vor den Häusern des Lärchenfeldes wurde mein Schwager Friedrich und ich Zeuge. Soldaten mit Hacke und Schaufel stellten den Zaun auf. Zu ihrem Schutz wurden sie begleitet von Soldaten mit der Maschinenpistole unter dem Arm.
Uns beiden auf der anderen Seite war das alles nicht ganz so geheuer. Wir taten mutig, doch das Herz war der Hose nahe und ich war froh als die Begegnung hinter uns lag.
Auf dem selben Pfad schlendere ich nun entlang, auf der Suche nach Paris.
Wenig Wasser in der Ecker. Das Ostufer ist vom blühenden Bärlauch überzogen. Der Wurmfarn entrollt seine Wedel, vereinzelt noch Busch-Windröschen. In Horsten die Große-Sternmiere.
Entdecke den Plantanenblättrigen-Hahnenfuß, noch nicht am blühen, doch eindeutig.
Die Weiße-Pestwurz überwächst mit ihren großen Blättern weite Flächen, nur von ihren verblühenden Blütenstängel noch überragt.
Am Bachufer die Weißliche Hainsimse, nicht viel weiter die Wald-Hainsimse mit ihrer dunklen Rispe. Der Türkenbund, die Ährige-Teufelskralle noch in Knospe, das Milzkraut grün-gelb blühend.
Kräftig gelb das Schöllkraut, einzelne Blüten der Roten-Lichtnelke. Dichte Bestände mit blühenden Maiglöckchen, Ein Veilchen-Tuff am Uferhang. Die Fallopia, der Japanische-Riesenknöterich macht sich breit. Der Aronstab hat seine Kesselfalle aufgestellt, wartet auf seine Bestäuber, eine bestimmte kleine Fliegenart. Das Sanikel schiebt seinen Blütenstiel in die Höhe.
Die Klärteiche vom Ort Eckertal. Eine Ente bewacht ihre 12 Küken, verschwinden im grünen Ufer. Die Deutsche- Schwertlilie breitet sich im Wasser der Uferböschung aus. Die frisch belaubten Bäume spiegeln sich im dunklem Wasser der Teiche. Bin allein. Der vielstimmige Vogelgesang lenkt mich nicht ab von der Suche nach Paris.
Die Möchsgrasmücke, einfach nur Mönch genannt, tut sein bestes, der Zilp-Zalp nennt immer seinen Namen, der Buchfink mit dem berühmten Roller am Schluss seiner Strophe, der Vitislaubsänger lässt den Roller weg. Das Rotkehlchen von hoher Warte, der laute Zaunkönig, die Amselmelodie, die Singdrossel mit den harten Tönen. Meisen-Arten die ich nicht nach ihrem Gesang bestimmen kann. Das ist aber auch schon fasst alles was ich heraushöre. Kein Kleiber, kein Häher, kein Dompfaff. Nur noch später den Specht mit seinem Klopfen und das Gurren der Türkentauben.
Hinter den Teichen den Fahrweg entlang, immer nach Paris und Morcheln Ausschau haltend. Nichts von beiden, im letzten Jahr habe ich sie hier noch entdeckt.
Unterhalb der eingezäunten steilen Abbruchkante eine große Stelle mit Winter-Schachtelhalm.
Verlasse nach rechts den Hauptweg. Unterhalb des Hanges, an der Kante entlang führt der Pfad, alles weiß vom Bärlauch. Mittendrin ein mehrstämmiger großer alter Baum. Im Winter habe ich daran umher geguckt, Habe umher gerätselt was das für einer ist. Nun belaubt, sofort erkannt. Eine vielstämmige Ulme. Obere trockene Äste zeigen schon sein Vergehen an. Die verdammten Ulmensplintkäfer!
Komme wieder auf den Hauptweg. Ein Wegezeichen zeigt links nach Eckertal, rechts nach Abbenrode. Ein Zisterzienserkreuz zeigt den Klosterwanderweg an.
Ich laufe in die nicht ausgeschilderte Richtung, zwei Stapel Rundhölzer von Bergahorn liegen am rechten Wegesrand. Liegen wohl schon etwas länger dort, denn in den Ritzen zwischen den Stämmen treibt das Kleine-, oder das Große Springkraut. Kann ich so grün und klein nicht unterscheiden.
Biege gleich nach rechts ab. Ein Hochsitz, ein Leckstein. Ein Grasweg zweigt nach links. Hier blühten im April die Hohen Schlüsselblumen und die Märzenbecher. Finde ihre Fruchtstände.
Und da, da werde ich fündig. Erst ein, zwei, drei Einbeeren, Paris quadrifolia.
Richtig glücklich bin ich über meinen Fund. Die zweite Stelle im Schimmerwald. Dann muss ich die erste Stelle auch noch wiederfinden!
Es werden Bilder gemacht. Nicht nur von der entdeckten Einbeere sondern auch vom Kriechenden Günsel, der Stachelbeere mit grünen Früchten, der Großen Klette, dem Immergrün, der Walderdbeere.
Stoße auf den Hauptweg, der nach Norden zum Altfelder Krug, nach Süden zur alten B6 führt. Laufe Richtung Altfelder Krug, überquere den Blaubach,der im engen Bett, zwischen dickstämmigen Erlen und Eschen, schnell zu den Gebäuden des aufgegebenen Krug sprudelt, einen kleinen Teich speist und bei Abbenrode in die Ecker mündet.
Der Blaubach ist ein kleines Gewässer das zwischen Wetzstein und Woldberg im oberen Schimmerwald entspringt, das Wetzsteintal herunter fließt. In den Sommermonaten fällt er häufig trocken, sein Wasser versickert einfach im Untergrund, deshalb hat man einen Abzweig von der Ecker geschaffen der dafür sorgt das in Bereich Altfelder Krug immer Wasser in seinem Bett fließt.
Stoße auf die alte Heerstraße die vor lange Zeit von Goslar nach Halberstadt verlief. Heute nur noch in Fragmenten erhalten und fasst vergessen. Diese Heerstraße bildete hier die innerdeutsche Grenze; die Grenze zur DDR. Grenzsteine weisen noch darauf hin. Der ehemalige freigehaltene Übersichtsstreifenist zugewachsen, vom Kontrollweg sind die Betonlochplatten weitgehend entfernt, wird wieder als Acker genutzt.
Malerisch liegen die Gebäude des Alfelder Kruges hinter den mit blühenden Löwenzahn übersäten Koppeln. Leicht verdeckt von den frisch austreibenden Erlen und Eschen, die den Blaubach begleiten. Weidende Pferde machen die Idylle perfekt. Vor dem Stacheldrahtzaun der Koppeln blühen Stieleichen. Lang hängen ihre männlichen Blüten herunter, die weiblichen recken ihre Narben über das Laub, bereit zum einsammeln der männlichen Pollen.
Nach rechts wende ich mich und bin bald am Beginn des Abbenroder-Mühlenwanderweges. Auf zwei großen Schautafeln wird der vergangene Zustand dieses Gebietes dargestellt. Alle Mühlen Abberodes hatten nach dem Bau der Eckertalsperre ihre Kraftversorgung verloren und wurden nach und nach aufgegeben. Als eine der letzten die Mühle Zimmermann, die noch ein paar Jahre mit Strom betrieben wurde. Heute vergammelt das alte Gebäude so langsam.
Die Mühle Otto ist als Kulturdenkmal saniert und kann besichtigt werden. Besuchen sie den Mühlenwanderweg, es ist lohnend!
Hier betrete ich Sachsen-Anhalt. Trockene Rasenflächen, mit Himmelsschlüsselchen, Rote- und Weiße Taubnessel, verblühte und blühende Löwenzahn. Doch laufe ich nicht nach Abbenrode, sondern gehe nach rechts zur Ecker, treffe gleich auf das hohe Wehr, das für die Mühlen südlich der Ecker das Wasser lieferte.
Hochwasser der vergangenen Jahren haben hart daran gearbeitet. Es macht einen traurigen Eindruck, doch die Fallhöhe samt Grabenabzweig ist noch immer vorhanden. Es wird Zeit das der Rückbau erfolgt, oder ist ein Wiedererstehen der Wassernutzung angesagt?
Der Flug und Tauchgang der Wasseramsel unterhalb des Falls weist auf Leben im Fluss.
Der Trampelpfad zurück zum Weg zeigt blühenden Flieder, knospige Pfingstrosen, den falschen Jasmin, typische Gartenpflanzen. Die Überbleibsel des Gartens des Vegetarischen-Erholungsheim des Herrn Lange?
Links taucht der kleine Teich, die Eckerableitung, die den Blaubach speist auf. Hier endet der Rundweg. Richtung Eckertal geht es nun zurück. Die Augen links auf den Wegesrand gerichtet wird nach der Paris Ausschau gehalten. Tatsächlich finde ich den Standort wieder. Der Bestand hat sich ausgebreitet. Über 30 Blütenstängel recken sich zum Licht, leicht verborgen unter den frischen Blättern der Buchen. Toll! Warum habe ich den Einbeerenbestand beim ersten Mal übersehen?
Trotz intensiver Suche einfach vorbei gerannt! Doch auch die Morcheln haben sich heute unsichtbar gemacht. Ich konnte keine entdecken, aber ich garantiere sie mich bestimmt!
Die Klärteiche, nun links, ohne Enten, die rechts liegende Schwermetallrasenfläche voller blühender Grasnelke. Auch auf der Klärteich Böschung zeigen sie sich.
Auf den Blättern des Sauerampfers sonnt sich eine Hummel, sitzt still, muss erst Sonne tanken.
Das Ausdauernde Silberblatt, lila-blau am Wegesrand. Die dichten Horste des Dunklen Lungenkrauts, der Kriechende Hahnenfuß und jede Menge austreibender Brennnessel begleiten mich auf den letzten 100m zum Auto.
Glücklich über den Wiederfund und der neuen Stelle der Paris quadrifolia, ein wenig enttäuscht über das Übersehen der Morcheln, zufrieden mit dem Wetter, es war trocken geblieben, wärmer geworden, fahre ich heim.
Otto Pake
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