Ein Spaziergang im Dezember.
Das sonnige Novemberwetter hat sich mit Gebraus verabschiedet. Ein Nordweststurm mit Regen und Schnee auf den Harzbergen ist über Bad Harzburg hinweg gezogen. Die Temperaturen halten sich jedoch noch in herbstlichen Grenzen. Nur des Nachts fallen sie ins Minus. Die Tagestemperaturen schwanken so zwischen 2 und 10 Grad C. in unserer Höhenlage. Ab ca. 600 m geht der Regen in Schnee über und bleibt liegen. Auf dem Brocken werden Orkanböen gemessen. Bei diesen Winden ist es besser man meidet den Butterberg, geht anderswo spazieren oder wandern, dort wo keine Äste oder gar ganze Bäume einem aufs Haupt fallen können.
Nach dem ersten Dezembersturm treibt es mich wieder auf den Kamm. Kleine abgerissene Zweige und auch ein paar starke Äste schmücken den Weg. Während man im November noch auf den abgefallenen Blättern wandeln konnte, liegen jetzt Bucheckern und deren Hülsen auf dem Weg. Die Blätter sind weggeblasen, findet man nur noch auf Haufen im Windschatten von Grasbüscheln, Felskanten, totem Holz am Rand des Weges. Es gibt Wegstellen die nur mit Bucheckern bedeckt sind und solche bei dem ihre Fruchthülsen den Wegbelag bilden. Auch Stellen, total blank geweht, wo nur noch der Kalksandstein und der Rohboden ansteht findet man. Vom Blattbelag des Weges im November keine Spur mehr!
Aus einem alten Wurzelteller eines vor langer Zeit umgestürzten Baumes hat der Regensturm einen Stein ans Licht geholt, blank gewaschen. Besonders deutlich kommen die versteinerten Wurmgänge hervor, die unter anderen anzeigen dass es sich bei dem Butterberggestein um die Sedimente der Küste eines vergangenen Meeres handelt. Der Sudmerberg hat das gleiche Gestein, nur das es dort fast in Waage liegt, so wie es entstanden ist, während hier am Butterberg es aufgestellt worden ist und nach Norden abfällt. Gewaltige Kräfte hat da der Brocken bei seiner letzten Hebung vor ca. 20 Millionen Jahren entwickelt. Eingeklemmter Butterberg und aufgeschwommener Sudmerberg. So stelle ich mir das wenigstens vor. Die Geologen haben da bestimmt eine bessere Erklärung. Aber ob das dann auch alles so stimmt?
Ein dicker Ast einer Esche ist abgebrochen und liegt neben dem Weg. Die kleineren Zweige versperren ein wenig den Weg. Die Bruchstelle des Astes zeigt einen alten Bruch, nur mit dem Rindenrand war der Ast noch mit dem Baum verbunden. Grünte, blühte und fruchtete noch bis das der letzte Sturm ihn runter riss. Beim Runterfallen nahm er noch die Spitze einer kleineren Buche mit. Die hängt nun verklemmt, in einem Ahorn, schwankend daneben.
Unten am Nordhang leuchten die hellen Schoten der Mondviole. Nun will ich aber wissen ob es tatsächlich die "Ausdauernde Mondviole" (Lunaria rediviva) ist. Steil steige ich den Hang hinunter, betrachte die Schoten. Sie haben beidseitig eine Spitze. Es ist sie die "Ausdauernde", denn die Schoten der "Einjährigen Mondviole" (Lunaria annua) sind an beiden Enden rund, ohne Spitze! Wenn man sie "Silberblatt" nennt ist das auch nicht verkehrt, bezieht sich dieser Name doch auf die hellen, silbrigen Schoten die mich den Berg herunter gelockt haben.
Schnaufend stehe ich wieder auf dem Weg. Ganz schön rutschig auf dem feuchten Laub war der Anstieg, runter ging das sehr viel schneller und angenehmer. Entdecke auf einem trockenen Holunderzweig ein frisches Judasohr. Diesen Pilz findet man fast nur auf Holunder
und in der Suppe beim Chinesen. Er schwimmt dann als geschmacklose Beigabe darin umher. Brät man ihn mit Fett in der Pfanne erlebt man eine tolle Überraschung! Probiert es einmal aus, doch haltet einen Deckel griffbereit! Essen kann man ihn natürlich auch, muss man aber nicht.
Der Wind klappert wieder bedenklich mit den Zweigen. Trete auf die Wiese, schau zum Burgberg. Da steht Sie noch, die todgeweihte, die alte mächtige sterbende Bergulme. Die Säge die sie vom Wurzelhals trennen wird ist schon geschärft, nur der Zeitpunkt ist noch offen. Doch sobald das Wetter wieder ruhiger wird kommt wohl ihr Schlächter. Vielem hat sie lange getrotzt. Doch ein kleiner Käfer brachte ihr die Krankheit. Er brachte einen winzigen Pilz, ein Bakterium dem die Wehrhafte nichts gegenhalten konnte. Ihre Leitungsbahnen langsam aber sicher verstopfend machte er sich breit im gesamten Lebensstrom hin zum Blatt und von da aus zu ihren Wachstumsstellen in und unter der Erde. Lange hat man gedacht der Käfer würde sie nicht finden, steht sie doch so weit dort oben auf dem Berg in kalten Winden. Nun hat es auch sie erwischt. Sie wird dem Betrachter fehlen, ändert sich durch das Verschwinden einer der Großen von der Höhe die Erhabenheit des Gipfels. Bestimmt nimmt sie noch ein paar andere Große mit. Bäume meine ich. Schade, unser Hausberg nimmt nicht zu an Größe, sondern ab! Wenn man das baufällige, schon lange vergammelte Gebäude der Harzsagenhalle auch so einfach loswerden könnte? Oder findet sich ein Sponsor der die hohle Bausubstanz zu dauerndem neuem Leben erweckt? An geschnitzten bewegungslosen Figuren finden heute nur noch kleinste Schuhgrößen kurzfristig Begeisterung. Es sei denn im Hintergrund läuft das Fernsehkinderprogramm. Dabei gehen dann aber Oma und Opa flüchten. Bestimmt gibt es da einen Experten dem dazu etwas Grandioses zu einfällt. Lieber wäre mir allerdings für diese Aufgabe ein Könner!
Eine weitere Sturmnacht brach starke abgestorbene Buchen einfach ab. Vom Stamm blieb das untere Drittel stehen, der Rest landete auf dem Kammweg. Ein Gewirr von starken Ästen versperrte mehrere Tage den Weg. Es war auch nicht ratsam ein Aufräumen zu beginnen, denn der Sturm wehte mehrere Tage ganz schön ordentlich. Zu gefährlich das Ganze! Wanderer und Spaziergänger waren sehr selten. Gassi - Geher sind die Mutigsten. Denken sie gar nicht an ihren Hund?
Bei Windstille und leichtem Sonnenschein, dunkle Wolken mit blauen Lücken ging es zum Nachsehen was der Wind noch angerichtet hatte. Mir Unbekannte hatten sich schon vorher auf den Weg gemacht und den Holzverhau beiseite geräumt. Wie die Heinzelmännchen hatten sie gewerkelt. Auch eine schon lange tote, etwa beinstarke Ulme (schon wieder eine), die sich schon mehrere Jahre sanft an eine Esche lehnte und durch die Windschwankungen dieser, sich unten löste und auf den Weg gerutscht war, aber immer noch aufrecht mit der Esche schmuste, fiel ihrem Arbeitseifer zum Opfer. Danke an Unbekannt!
Ganz so schlimm, wie ein so genannter "Wander -Experte" den Zustand unserer Wanderwege nieder machte ist es wohl dann doch nicht. Noch sind sie da, unsere Heinzelmännchen!
Wenn auch die Beschilderung des Terrain-Kurweges Butterberg bald von der Hainbuche verschlungen sein wird. Das Schild wird bald überwallt sein. Na, nicht so schlimm ist ja auch das Einzige hier auf dem Wege.
Düsterer Dezember, drückt auf die Stimmung.
Der Blick nach Norden geht über grüne Äcker, begrenzt vom dunklen Wald des Fallstein, den Mühlen des Druiberges. Am östlichen Ende des Elm die Fahne von Buschhaus, hinter dem Harly qualmt noch die Zuckerfabrik Schladen. Vom Winter im Vorland keine Spur!
Die Winter Pilze, meist Holzzersetzende wachsen prächtig, vor allem die Austernseitlinge sind an den Rotbuchen häufig zu finden. Die Feuchtigkeit bekommt ihnen gut, sie wachsen zu bizarren Gebilden heran. Doch sieht man die Trockenheit des Novembers ihnen immer noch an. Ihre Fruchtkörper sind am Rand zerrissen und gespalten, ihre Größe außergewöhnlich. Sie sind dem essbaren Bereich entwachsen! Der Samtfuß Rübling wächst an gleicher Stelle.
Anfang 2012 fegte noch einmal der "Ulli" über den Berg. Der griff dann noch beherzter zu. Eine starke gesunde Esche hob er samt dem Wurzelballen aus der Erde, legte sie wie noch mehrere Buchen auf die Seite. Die Kronen sauber nach Nord-Osten ausgerichtet.
Schnee ist immer noch nicht gefallen. Der Frost lässt auf sich warten. Kommt er Ostern?
Otto Pake