Frostempfindlich sind nur ihre, im Frühjahr frisch ausgetriebenen Triebe. Da kann es schon einmal passieren, dass Spätfröste im Juni-Juli ihren Austrieb schädigen, teilweise völlig vernichten. Doch das bringt sie nicht um. Umbringen können sie nur sich veränderte Standortbedingungen. Die Fichte stellt wenig Ansprüchen an ihren Standort. Ob mager oder fett, ob nass oder trocken, ob flach in der Ebene oder steil am Berghang. Dort wo sie einmal keimte, ihre Wurzeln Halt im Boden gefunden haben, erwartet sie ein langes Leben. Auf feuchten, nassen Standorten bildet sie ein flaches Wurzelbett aus, denn Staunässe vertragen ihre Wurzeln nicht. Sie bleibt mit ihren, sich immer weiter an Umfang und Größe zunehmenden Wurzelteller im durchlüfteten Boden. Ein starker Sturm kann ihrem Leben schon ein Ende bereiten. Sie nimmt es hin. Auf tiefgründigen, gut durchlüfteten Böden, reichen ihre Wurzeln tiefer in den Boden. Ihre Windanfälligkeit nimmt ab. Ihr Wachstum wird üppiger. Verändert sich durch Störung der Wasserführung ihr Standort, bekommt die Fichte sofort Probleme. Wird ein feuchter Standort trocken gelegt oder ein trockener, optimaler Standort vernässt, dann braucht man sich nicht wundern wenn die Fichte das sehr übel nimmt. Sie kränkelt, wird dem Borkenkäfer regelrecht zum Fraß angeboten. Jeder Fach- und Forstmann weiß das. Nur danach gehandelt wird selten. Vielleicht soll den Außenstehenden, also uns Allen, deutlich die Übermacht der Käfer hochgezogen, vermittelt werden. Ein Szenario ihrer Hilflosigkeit gegen den Massenbefall des Käfers vorgespielt werden. Frei nach dem Motto: "Wir tragen da keine Schuld mit uns umher! Der Käfer ist der Sünder"! Niemand bohrt gern im eigenem Fleisch!Rund um den Brocken durfte die Fichte sich selbst entfalten. Ihre Standortbedingungen veränderten sich nicht. So wurden groß, stark und alt. Trotzten den Gefahren der Umwelt. Sie ließen den Winter mit seinen eisigen Stürmen vorbei ziehen, duckten sich unter der Schneelast, wurden zu Gestalten der Sagen und Märchen. Tobten die Frühlingstürme über sie hin, schüttelten sie sich, betrachteten ihre Wunden die die Winter ihnen geschlagen hatte, setzten ihre Nadeln ins Licht, fuhren ihre Assimilat-Produktion wieder hoch. Waren bevor es jemand bemerkte schon am Reparieren ihrer geschlagenen, winterlichen Wunden. Das Wundgewebe, der Kallus, überzog ihre Aststumpen der abgeschlagenen, vom Winter abgestorbene Äste, schloss ihre Wunden am Stamm. Da gab es auch alte Fichten die im Überschwank ihres Lebenswillen soviel Kallus bildeten, dass sie den Ansatz der gestorben Äste regelrecht ummantelten, zu Brüsten und anderen Gebilden formten. Sehenswert die brustbehangenen Fichten. Im speziellen Sprachgebrauch wurden diese Gebilde ganz profan als Förstertitten angesprochen. Der arme Kerl von Forstmann hat, wenn er vor so einer Fichte stand leichte Probleme mit dem überreichen Angebot. Dort wo der Wintersturm ihre Spitze, ihre Krone mit genommen hatte reckten sich die nächsten Zweige zu Spitze. Waren sie gleich schnell im Wachstum blieb es bei den zwei Spitzen. Selten übernahmen sogar drei Zweige diese Funktion. Eine alte Fichte auf dem westlichen Hohnekamm war damit noch nicht zufrieden. Diese bildete gleich 10 oder 12 Spitzen, die zu mächtigen Ästen heran wuchsen, aus. Wir nannten ihn "Kandelaber-Baum". Wie ein mächtiger Leuchter, ohne den Schmuck von Kerzen, beherrschte er sein Umfeld. "Lebt der Kandelaberbaum da oben in der Kernzone des NP auf dem Hohnekamm noch", fragte ich einen Ranger".
Große, staunende, unsichere Augen sehen mich an. "Ich weiß nicht was du meinst", die Antwort. Was soll man da machen? Vielleicht bleibt nur, selbst nachzusehen ob der Kandelaberbaum den Käferansturm abwehren konnte.
Wir sind unterwegs mit einer Gruppe des NP-Harz. Steigen hoch zur Heinrichshöhe. Mit 1045 m Höhe die zweithöchste Kuppe des Harzes. Hier stand neben dem "Brockentor" vor Jahren ein Forsthaus und Gastraum des Grafen von Wernigerode Hier wurde manches Fest gefeiert, manches Glas geleert, mancher Schweißtropfen beim Torfabbau vergossen. Auch mancher Kutscher, samt seiner Pferde froren hier, nachdem sie ihre Kutsche nach der anstrengende, holprigen Reise hier abgestellt, ihre vornehmen Fahrgäste aus Wernigerode, ausgeladen hatten. Die Gäste verschwanden in der warmen Bude. Doch der Kutscher blieb draußen. Er versorgte die Pferde, Deckte sie mit einer Decke ab, hängte ihnen den Futtersack um. Pflegte sich ein wenig selbst und wartete draußen bei Pferd und Wagen, bis die Vornehmen wieder ins Tal zurück wollten.
Wer weiter zum Brocken wollte ging von hier zu Fuß. Einen Fahrweg zu Brocken gab es noch nicht. Die Heinrichshöhe war Mittelpunkt und Ziel. Der Torfabbau wurde bald aufgegeben. Die Zahlen stimmten nicht. Zu teuer und aufwendig die Sache mit dem Torf. Trotzt des Aufbau von Torftrockenhäusern trocknete der Torf nicht. Das Harzer Wetter rund um den Brocken, der Heinrichshöhe ließ das nicht zu. Noch heute findet man von Teufelsklaue-Bärlapp überwachsene Mauern der Torftrockenhäuser. Irgendwann um 1800 ging auch das Gasthaus in Flammen auf, verschwand für immer. Jetzt übernahm das Brockenplateau das Sagen. Doch noch immer beherrscht die Granitklippe des Brockentor die Heinrichshöhe. Wenn man ein wenig sucht und das Glück auf seiner Seite ist, tauchen auch ein paar Steine der alten Wirtschaft auf.Unbekümmert von all diesen Dingen wachsen aus den Fugenrissen des Granits Horste der Draht-Schmielen, leuchten ihre rotbraunen eleganten Blütenrispen im Licht der Sonne, blühen in dichten gelben Horsten die Gewöhnlichen Goldruten zwischen den Heidelbeersträuchern, überziehen Moose und zahlreiche Flechten die alten Granitfelsen. Niemand stört die stille Andacht bis das Pfeifen der Brockenbahn uns in die Gegenwart zurück holt. Nur wenige Meter sind es bis zu den Gleisen, etwas weiter zu den Menschen die die Brockenstraße meist schweigend hochsteigen, den endlos quatschenden Mündern die auf ihr herunter strömen.
Otto Pake