Die alten Recken des Fichtenurwaldes rund um den Brocken sind nun fast alle gestorben! Die Sommerhitze, die Trockenheit hat sie leiden lassen. Ihr Durst war zu groß seit die Regenwolken sich nicht mehr im Stau der Harzer Berge abregnen. Sie um den Harz herum ziehen und ihre feuchte Last in andere Gebiete bringen. Das bringt Stress in das Harzer Fichtenleben. Dieser Stress ist die Verlockung für den Borkenkäfer. Sie riechen den Lebenskampf der Fichten zuverlässig. Erst kommen die männlichen Käfer als Vorhut und Prüfer. Sie bohren sich durch die Rinde und legen eine Höhle, die Rammelkammer an. Eine vitale Fichte harzt die Höhle einschließlich des Käfer zu. Ist die Fichte aber geschwächt klappt dieses Abwehrsystem nicht. Der männliche Käfer bleibt am Leben, lockt ein Weibchen zu sich. Befruchtet es. Sie bohrt einen Gang in das Kambrium. Legt in kurzen Abständen eins nach dem anderen ihrer Eier ab. Dem Ei folgt die Larve. Die frisst sich im rechten Winkel vom Muttergang in das Kambrium. Lebt von den Assimilaten die das Grün der Pflanze produziert. Der Strom der Assimilate - Stärke, Zucker, Zellulose- wird unterbrochen. Die Fichte leidet noch mehr! Nun kommen die Borkenkäfer in Scharen um sich an den Geschwächten zu laben, ihre Brut groß zu ziehen. Stimmt Wetter und Nahrung folgen weitere drei Generationen des Käfers im Jahr. Selbst eine gesunde Fichte wird da machtlos sich gegen eine solche fressende Masse erfolgreich zu wehren! Ohne Chance am Leben zu bleiben verliert die Fichte ihre grünen Nadeln, ihre "Lebensfabriken". Sie stirbt und keine noch so gut gemeinte Tat, ein noch besserer Ratschlag bringt sie aus dem Reich der Toten zurück. Nun steht sie kahl, ähnlich einer Lärche im Winter, herum. Mit dem großem Nachteil, dass sie den Wiederaustrieb, die Erneuerung der verlorenen Nadeln, wie die Lärche es kann, noch nicht gelernt hat, bestimmt auch nicht wird. Zwei Jahre bleibt sie in der Regel standfest an ihrem Platz. Verliert sachte die Rinde, glänzt silbrig im Schein der Sonne. Zeigt noch einmal ihre silbrige Schönheit. Im untergehenden roten Licht der Sonne erglühen ihre toten Leiber, werden sie zu leuchtenden Fackeln die es locker mit jedem Sonnenuntergang auf nehmen. Nicht lange dauert diese Illusion, dann zieht das Grau der Nacht die Berghänge hoch. Ganz kurz hält das Feuerleuchten noch bei den Gipfelbäumen an. Dann ist es ganz aus mit ihrer roten Schönheit. Jetzt braucht es keinen Wind, keinen Sturm, nein aus dem Augenblick heraus kann sie fallen, zur Hälfte abbrechen oder ganz umstürzen. Dann wird es für den Wanderer gefährlich unter den Toten zu wandeln! Aus der Dauerhaften ist ein Risikoträger für Leib und Leben geworden!
Verlassen wir die Toten! Betrachten wir ihre Nachkommen.
Unzählige Samen haben ihre Zapfen, lange vor ihrem Sterben, schon auf dem Boden verstreut. Jetzt wo sie Licht bekommen keimen sie und wachsen. Sie müssen sich beeilen, denn auch die Gräser haben auf das Licht gewartet. Auch sie ergrünen und wenn die Fichte unter ihren Halmen und Blätterdach verschwindet ist es schon wieder aus mit ihr. Ohne Licht keine Assimilation. Ohne Licht kommt für sie der Tod schon wieder um die Ecke gekrochen. Doch wo sie schneller ist als die Gräser da wächst Fichte an Fichte. Dicht gedrängt stehen sie da umher, bringen sich durch Lichtentzug gegenseitig um ihr Leben. Meist kommt nur eine von den vielen aufgelaufenen Fichten zum Fruchten, wird groß und stark. Totschlag und Mord ist die Lebensgrundlage der Starken! Das wollen wir in unserem Leben zwar nicht wahr haben, doch wenn der Grundsatz des menschlichen Lebens die Ethik, die Humanität verloren geht, der Skrupel in der Ecke verschwindet, sind wir schon wieder da im ganz natürlichen gemeinsamen Leben von Mensch, Tier und Pflanze. Das "Ich", das "Selbst" sein, ist das Wichtigste. Nur darauf kommt es an. Schauen wir uns um. Das "Ich" steht immer im Vordergrund. Alles andere ist schönes Beiwerk, welches auch das "Ich" als angenehm empfindet und auch nicht missen möchte; es aber nur bedingt, meist zum Eigennutz zulässt! So grausam ist das Leben. Es baut sich immer auf dem Leid anderer auf. Oft wird auch der Tod der "Minderwertigen" wissentlich in Kauf genommen. Ja sogar von ihnen, wie die Geschichte ja auch deutlich zeigt, gewollt hingenommen, im äußersten Fall sogar gefördert. Verlassen wir diese Traurigkeit.
Ein Mann mit großen botanischen Wissen sagte einmal zu mir: "Du musst dir die Fichte wie eine Dampfmaschine vorstellen. Sie arbeitet immer. Tag und Nacht. im Sommer voll, im Winter etwas eingeschränkter". Auch wenn Frost, die Dunkelheit des Winters ihren Lebensrhythmus weitgehend einschränkt, atmet, verdunstet, assimiliert sie im begrenztem Umfang weiter. Selbst der Wasserstrom im Splintholz kommt nicht zum Erliegen. Ihre Gene und nicht gefrierende Zuckerlösungen sorgen dafür. So überdauert die Fichte den Winter.
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