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1 von Angern-Denkmal

Ein schmaler Steig bringt uns über die Sülze zurück zu den noch wunderbar erhaltenen alten Siedehäusern, den Salzkothen, im Talgrund. In den Fugen der Pflastersteine wächst, bald flächendeckend, der Europäische Portulak - Portulaca oleracea Ein paar Stängel der Küsten-Gelbsegge behaupten sich etwas  unscheinbar dazwischen. Das Salz prägt immer noch die Vegetation. Etwas suchen muss man schon um die kleinen gelben Blüten des Portulak zwischen den kleinen, fleischigen Blätter zu entdecken. Der Portulak ist ein vergessenes Gemüse, welche schon zu babylonischen Zeiten verzehrt wurde. Leicht salzig, etwas säuerlich-nussig schmecken seine jungen Blätter. Die alten jedoch bitter. Seine Blütenknospen wurden ähnlich wie Kapern verwendet. Gesund sollen sie obendrein auch noch sein. Bei ihren vielen Inhaltsstoffen ist das auch nicht von der Hand zu weisen. Reichlich Vitamin C., Omega-3-Fettsäuren, die einem frühen Herztod vorbeugen. Weiter Vitamin A, B, und E der Mineralstoffe. Auch Spurenelemente von Magnesium, Calcium, Kalium Eisen und Zink und  einer Reihe anderer der Gesundheit förderlichen Stoffe sind im Portulak enthalten. Es steht sogar geschrieben: "Wenn Ihr Saft im Mund gehalten wird, werden wackelige Zähne wieder fest". Es fehlt nur der Hinweis wie lange der Saft im Munde zu bleiben hat.
Um die Wirkung der Inhaltsstoffe voll zu nutzen, werden frisch gepflückte  Zweige oder Blätter, Salaten oder Quark beigemischt. Werden sie gekocht oder zu stark blanchiert geht das Gesundheitsfördernde verloren. Rohkost ist demnach angesagt. Mich wundert, dass der Portulak in unserer von gesunder Kost so geprägten Zeit, noch immer in der Versenkung verschwunden ist!
Auf wenig begangenen steilen Pfad erreichen wir den Kirchhof. Nicht ganz, denn das Tor dazu ist nicht nur zu, sondern auch verschlossen. Doch eine Gruppe älterer Damen, die vor dem nicht weit weg liegenden Kindergarten und Altenwohnheim  schnault, über das Geschehen im Dorf spricht, hilft uns weiter. Sie sorgen dafür, das die schlüsselgewaltige Dame, die Kirchhof und Kirche in Schuss hält, gefunden wird. Wir tragen unseren Wunsch, beides ansehen zu wollen, vor. Mit: "Ich hole nur den Schlüssel", verschwindet sie aus unseren Augen. So stehen wir wieder allein gelassen vor dem verschlossenen Kirchhoftor. Betrachten die roten Feuerwanzen die in großen Trupps, einschließlich  ihres Nachwuchs, die  Steine der Mauer als Platz an der Sonne nutzen. Sieht ganz hübsch aus der rot-schwarze Bagaschen-Tross. Ein bisschen ekelig vielleicht, doch solange sie die Mauer und nicht ein Fensterbrett am Haus bevorzugen, gönnen wir ihnen den Platz an der Sonne. Eine Wegmalve / Malva neglecta am Fuß der Mauer bringt Erinnerungen. In meiner Jugend fand man sie überall an Wegen, zwischen den Steinen. Ihre kleinen flachen runden "Käseleiber"-Samen wurden von uns gern gegessen. Wir wussten nicht, dass wir damit Halsschmerzen und Magengeschwüren vorbeugten. Sie schmeckten uns. Das war Grund genug, ihre kleinen flachen, leicht nach Käse schmeckende Samen, nicht zu verachten.  Krankheiten kannten wir nicht!, noch weniger was dagegen helfen soll. Hatte man einmal ein Problem, war Bettruhe mit schwitzen angesagt. Dieses unbeweglich unter der Bettdecke liegen, eingepackt, eingeengt mit  feuchten Wickeln, war Strafe und Tortur genug. Wurde man wieder aus der feuchten Bettkiste ausgepellt, war man wieder gesund!
Der Schlüssel mit der Dame kommt. Das Tor zum Kirchhof St. Martin öffnet sich und wir stehen an einer teilweise überdachten Mauer voller Ritter. In Stein gemeißelt stellen sich die längst verstorbenen Saklzkönige, meist aus der Familie Berndes vor. Sie kamen zwar aus bürgerlichen Familien, doch war ihr Einfuss in der Salzgenossenschaft so groß und mächtig, dass das Ritterbild zu ihnen passte. Auch Agnes Elisabeth von Angern fand unter dem Kreuz hier ihre letzte Ruhestätte. Lange Zeit bleibt uns nicht das Innere der Kirche zu betrachten. Beeindruckend der alte Taufstein aus Sandstein, die Emporen, der lockende Opferstock dem ich nicht widerstehen kann. Als dann unser Obolus zum Erhalt der Kirche unter den wachen Augen der Schlüsselgewaltigen im Kasten verschwunden ist, ist es mit der Zeit der Dame mit dem Schlüssel nicht mehr weit hin. Ehe wir uns versehen wird das Kirchhoftor hinter uns verschlossen. Sachte naht die Mittagszeit. Vielleicht der Grund für die Schnelligkeit der Kirchendame.
Wir landen im Hofladen von Sülldorf. Ein altes umgebautes Gut beherbergt ihn. Blumenkästen und -Töpfe  an der Außenfassade. Schwarze Schilder mit weißer Kreide beschriftet, auf hübsch gepflastertem Hof, eine rote Bank für Erschöpfte sorgen für Neugier. Der Laden entpuppt sich als ein Laden der Superklasse. Dort stimmt alles! Das Angebot bald überwältigend. Dies wird noch von den Damen im Verkauf übertroffen. Zwar beschränkt sich das Angebot an Speisen nur auf Bockwurst mit Kartoffelsalat, doch drei Gessner-Radler am Tisch im Sonnenschein neben den parkenden Autos unter dem italienischen Flair der Oleander-Töpfe, reißen alles raus. Die große Holztür zum Garten im nebenstehende Stallgebäude steht weit auf.  Wer so lockt, muss auch etwas bieten, mein Gedanke. Ich mache mich auf den Weg. Weitläufig präsentiert sich ein einsamer grüner Rasengarten. Ein Gartentisch mit tongebrannten Kelch als Schmucktopf, vier Klappstühle auf Ziegelsteinen gepflasterter Fläche. Gras und Portulak versuchen die Ziegelsteine zu überwachsen. Ein Idyll welches ein Gast nur stören würde. Bestimmt hat auch schon lange Zeit hier Niemand auf einem der Stühle gesessen. Ein Rosenbogen trennt dies kleine Gartenidyll von dem anschließenden größeren Garten. Der wirkt so etwa wie: "Ich könnte schon, will aber nicht". Eine polterige Rasenfläche mit herausstehenden, abgedecktem Gully auf dem Topfscherben dekoriert sind.  Von einem Gebüschsaum, einem alten, sachte vergammelnden Schuppen, blühenden Astern und Sedum, hohen Gräsern, die das Elend ein wenig zu vertuschen versuchen,  eingefasst. Ein Beet mit Sonnenblumen und anderen Verblühten versucht den Blick auf sich zu ziehen. Trotzt allem; schön wirkt der Garten in seiner wilden, gewollten ungepflegten Ordnung. Mein locken bringt meine Begleiter in den Garten. Sie finden meine Begeisterung darüber etwas übertrieben. Das verstehe ich wiederum nicht. Mein "Öffnet bitte Seele und Augen" ruft nur den Hinweis auf das ausgetrunkene Radler unter dem rot blühenden Oleander-Topf am Tisch des Parkplatzes hervor. Sei's drum !
Eine Hinweistafel weist auf die Salzverträglichkeit der Sülldorf Pflanzenvielfalt hin.
Nicht alles was da an Pflanzen geboten wird, wird auch von uns entdeckt. So bleibt nichts anderes über, als sich zu anderer Jahreszeit wieder einmal auf nach Sülldorf, zur Binnensalzstelle der Sülze zu machen!


Otto Pake

13 Kleiner Garten

14 überall der Europäische Portulak

15 Der "Große Garten"

16 wild und schön