1986 zur 850-Jahr-Feier wurde der Springbrunnen vor der Kirche St.Petri aufgestellt. Dieser Springbrunnen im dunklem Rot ist es, der uns in Emersleben zuerst begrüßt. Am Straßenrand der Kopfsteinpflasterstraße bleibt unser Auto stehen. Der Brunnen hat sein Springen eingestellt. Kein Tropfen Wasser rieselt von seinen Wasserspeiern in die Brunnenschale. Er springt wohl nur zur besonderen dörflichen Anlässen. Jetzt könnte man meinen, wenn man die zierende Aufschrift nicht beachten würde, es handelt sich um einen etwas vergrößerten Abfallbehälter. So krass nun auch wieder nicht, doch ein Brunnen braucht sein Wasser! Ein Springbrunnen besonders! Da ich gerade dabei bin mit meckern gleich noch hinterher: " Wo sind denn die kleinen Pflastersteine geblieben die seinen Standort einst schmückten?" Statt von kleinen, zum Umfeld passenden Pflastersteinen eingefasst zu sein, steht der sonst sehr Hübsche auf Betonplatten! Da haben die Älteren von Emersleben besser über ihre Investitionen nachgedacht. Sie dürfen sich mit dem Schild: "Schönstes Haus 2015 Emersleben", an ihrer Kirche St.Petri schmücken." St. Petri ist verschlossen, der Friedhof steht uns offen. Ein paar Schritte nur und die Begeisterung über die alten Grabdenkmale erfasst uns. Was hier auf dem Friedhof an alter Steinmetz- und Schmiedekunst erhalten geblieben ist! Hier werden die alten Gräber samt ihren Grabsteinen nicht gleich und total entsorgt! Hier wird abgewogen was Erhalten würdig erscheint und ist. Hier wird noch immer die Beerdigungskultur der Altvordern gepflegt. Hier kann der Baum oder Strauch eines alten Grabes nach abgelaufener Liegezeit noch weiter wachsen. So darf er das Gedenken der Angehörigen des Verstorbenen, noch weiter tragen. Oft erscheint diese natürliche Ordnung für manche Augen ein wenig wüst. Halt so wie im Leben, im Dasein. Dieses ist auch nicht immer absolut sauber geordnet! Ein bisschen wüst wird es immer einmal! Wenn dies nicht selber verursacht wird, so finden sich bald Andere die es noch besser können.
Der Friedhof von Emersleben ist einer der ins Herz geht. Hoffentlich trifft ihn nicht einmal der Geist der beim Bau des Springbrunnen vorherrschte. Betonplatten statt Kleinstein-Pflaster! Das "Schönste Haus 2015", die Kirche St. Petri wird, da bin ich mir sicher, darüber wachen, dass die Kunst der Steinmetze, die Kunst der Schmiedemeister, das Können der Friedhofsgärtner weiterhin für Freude bei den Besuchern, den Angehörigen der Verstorbenen sorgen wird. Vollkommen zufrieden, trotzt verschlossener Tür zu St. Petri, verlassen wir den Kirchhof, schlendern die Straße herunter zum "Schloss" um uns den dazu gehörenden Park zu betrachten. Sehr verwundert betrachten wir den Hinweis am Torpfosten, der den Eintritt verbietet. Erst als ein Schwarm älterer Damen weit hinten auftaucht, uns sich laut erzählend nähert, werden wir mutig, nehmen die Gaststätte "Zum Storchennest"" in den Blick. Wie sich gleich herausstellt sind auch ihre Türen verschlossen. Das "Storchennest" empfängt keine Gäste mehr. Es fehlte wohl früher an Gästen, jetzt am Wirt. Das so ein schönes gepflegtes Haus, nicht weit von Halberstadt entfernt, keinen Wirt ernähren kann, ist bestimmt nicht nur mir unerklärlich! Die Damenriege ist an uns vorbei gezogen, unser Mut gewachsen. Wir betrachten den Austrieb der alten Bäume, treffen auf einen weitere Hinweis. Ein Schild auf roter Stange. Es wird uns und den Emerslebenern erklärt warum das so ist mit dem Betretungsverbots-Schild am Torpfosten. Die Stadt Halberstadt und die Familie Bückers sind sich uneins wer die Verkehrssicherungspflicht auf dem Wanderweg zum Schlosspark, der teilweise über ihr Privatgelände führt, übernimmt. Was für eine Farce! Dieser kleine Trippelschritt über das Anwesen
der Familie Bückers verschwindet im Finanzhaushalt der Stadt Halberstadt wie der Ruf einer Krähe im Wind. Aber wo kein Wille wird's halt schwierig! Nun haben wir es halbwegs schriftlich. Besuchen ist erlaubt, kein Hund wird auf uns gehetzt, nur wenn uns ein Ast auf den Kopf, oder wir selbst auf den Hintern fallen bleibt die Arschkarte bei uns! Mutig geworden schreiten wir auf dem Wanderweg, der sich, vorbei am "Langen Stall", so nenne ich das Gebäude, zum Schlosspark hinzieht. Ein Wasserschöpfrad schöpft durch den Wasserstrom getrieben, Wasser aus dem Graben in einen Trog, der es in einem Rohr verschwinden lässt, in uns Unbekanntes leitet. Eine sehenswerte Konstruktion! An einem filigranen Rad sind eine Reihe von Eimern befestigt. Einem Eimer folgen immer zwei hintereinander liegende Metallplatten, die für den nötigen Schub sorgen. Der Eimer schöpft beim Eintauchen Wasser aus den abfließenden Graben. Der wird über den Wasserschaufeln von der Kraft des fließenden Grabenwassers angehoben. Oben angekommen leert sich der Eimer in einen darunter liegenden Trog, der das gehobene Wasser seinem Bestimmungsort zuleitet. Total einfach aber super genial! Solche Schöpfräder, nur viel größer, sah ich bisher nur auf orientalischen und auf asiatischen Bildern. Nun stehe ich staunend an einem Abzweig der Holtemme, die vom Brocken herunter kommt, nördlich von Emersleben vorbei fließt, hier über einen abgeleiteten Graben ein kleines Schöpfrad antreibt. Was für Seltenheiten erwarten uns noch? Kleine Pfade, Immer wiederkehrende Gräben, dazwischen die weißen Blüten der Buschwindröschen, auch weiße und lila blühender Lerchensporn und die gelben Blüten des Scharbockskrautes bestimmen die Bodenflora. Ein Ausblick über grüne Felder zur Bahntrasse, zur Holtemme zeigt eine weißblühende Wand von Kirschpflaumen und Schwarzdorn. Irgendwann vereinigen sich die Gräben die den Park durchziehen, sich wieder zu einem Hauptgraben. Der strebt über Umwegen wieder zur Holtemme.
Zurück nehmen wir den gleichen Weg. Betrachten den landwirtschaftlich genutzten, super sauberen Schlosshof durch die senkrechten Eisenstäbe eines Tores. Das große Storchennest, hoch auf der Spitze des Wehrturms des Schlosses oder der Burg, so man will, findet Bewunderung. Am linken Steinpfosten des eisernen Tores ein gedrucktes, schon älteres Blechschild, welches das Betretungsverbot noch einmal unterstreicht. Hier kann man es auch verstehen und nachvollziehen. Auf einem bewirtschafteten Hof hat ein Spaziergänger nichts zu suchen! Beim Zugang zum Park aber, dort gehört statt eines Betretungsverbot-Schildes eine Einladung für Emerslebener und Besucher montiert, so das jeder, auch der Unbedarfteste, sich von Beginn der Besichtigungstour an, an den gepflegten Gebäuden den alten großen Bäumen, dem Schöpfrad und den heimlichen Wegen im Park erfreuen kann.
Als wir zu unserem Auto zurückkehren, das Liebesgras, welches in der Fugen des Straßenpflasters wächst, betrachten, läuft uns eine ältere Dame über den Weg. Ob wir uns die Kirche angesehen hätten will sie wissen. Als wir auf die verschlossene Tür verweisen wird sie lebhaft. "Ich besorge den Schlüssel". Sie klingelt an der Haustür des Nachbarhauses. Ein Herr tritt vor die Tür. Hat aber nicht die Zeit uns die Kirche zu zeigen. Statt dessen gibt er uns ein Blättchen in dem der Werdegang der Kirche St. Petri beschrieben wird. Es folgt noch eine Einladung zum Wiederkommen. Dann steht er für uns bereit. So werden wir es machen!
Otto Pake