Wenn möglich wird auf den rasigen Randstreifen ausgewichen. Moorwiesen mit Latschenkiefern sind nun unsere Begleiter. Ab und an winken die weißen büschelligen Fruchtstände des Wollgrases aus der gelblichen Rasenpracht. Von blühenden Pflanzen nicht die Spur. Die werden ersetzt durch hohe wadenstarke nackte doppel-mannshohe Schneestangen. Die weisen im Winter den Schiwanderern ihren Weg. Heute sind sie mehr leichte Schattenspender, wenn sie an der südlichen Seite des Weges stehen. Im gelblichem Ton trockener Wiesen durchsetzt mit dem dunklen Grün der Latschenkiefern, versucht sich vereinzelt die Fichte. So präsentiert sich die Hochebene unter dem mit Zirruswolken geschmückten blauen Himmel. Die Wanderer werden weniger als wir den Abzweig zur Hampelbaude, zur Kleinen Teichbaude in Richtung Krummhübel passiert haben. Der nun mit Stiefmutterkies (verwitterter Granit) ausgebaute Wanderweg zieht sich weitgehend auf der Höhenlinie bleibend,mit wunderbaren Aussichten am Rand der Felsenhänge hoch über dem Kleinen Teich, mit der von einem Glockenturm gekrönten Kleinen Teichbaude dahin. Dahinter eine Stufe höher das große Haus der Hampelbaude. Von hier oben ist alles wunderbar zu betrachten. Selbst die Menge der Wanderer, die sich diese beiden Bauden zum Ziel gemacht haben. Immer in starken Gruppen kommen sie angewandert. Manchmal ist es als ob Gesang herauf tönt. Bestimmt eine Täuschung. Doch der hier umher flatternde Trauermantel, der dunkle Schmetterling mit den kleinen blauen Punkten, einem crem-gelben Band am seitlichen Rand seiner Flügel, der ist keine Fiktion. Der Bursche neckt uns, will sich nicht fotografieren lassen; fliegt immer wenn man glaubt jetzt passt es, kurz vor dem Klick davon. Im Rückblick erhebt sich die Schneekoppe über der fleckigen gelb-grünen Hochfläche in den Himmel. Weiße Kumulus-Wolken sind hinter dem Berg aufgezogen. Auch hier ist der Weg, zur Tiefe hin, mit blinkender Kette an Pfosten, gesichert. Wo der Abstand zur Tiefe etwas größer wird liegen kreuzförmig Fichtenstämme die ein Überschreiten, einen Sturz in die Tiefe verhindern sollen. Die wegweisenden Schneestangen sind verschwunden.
Oberhalb des Großen Teiches, immerhin noch auf 1236m Höhe, blicken wir weit in das Land der Schlesier, nach Polen. Die weißen Kumulus werden dichter. Eine Bastion aus vier Felsengipfel unter uns. Dann tauchen vor uns der Mittagsstein/ Slonecznik auf. Eine seiner Steinsäulen schaut wie ein Menschenkopf geformt weit ins Land. Ähnlich unseres "Alten vom Berge" auf den Kästeklippen über dem Okertal, schaut dieser auf die Gegend um Krumhübel / Karpacz. Apfel-Esspause ist angesagt. Wir finden Platz auf einem der umherliegenden Granitfelsen. Meinen Apfel habe ich schon zu lange im Rucksack umher getragen. Mohl ist er auf einer Seite, so landet er bald, nur ein wenig angenagt, im dichten Latschengewirr. Beim Fotografierrundgang um den Mittagsstein stoße ich auf eine in den Latschen versteckte Steinbank. Hier hockt ein Wanderpärchen. Glück haben sie gehabt, denn der angenagte Apfel flog in ihre Richtung. Sie betrachten ganz entspannt die vor ihnen liegende Landschaft. Etwas unsicher betrachte ich die Beiden trotzdem. Von hier ist der Gipfel der Schneekoppe noch zu sehen. Ein junges Pärchen kommt von der Gegenseite angewandelt. Ein Traumpaar von jugendlichen Hippies. Sie den linken Arm bis über die Schulter, am Hals auslaufend, tätowiert. Ihre Haarpracht zu einem wankenden, gewickelten Turm aufgebaut. Zwei Wanderstöcke in den Händen. Der Rucksack hängt statt auf dem Rücken auf ihrem kleinen Hintern. Ihr junger Begleiter ähnlich, nur ohne Tätowierung, doch mit einer Haarpracht aus verfilzten Zöpfen. Glücklich erscheinen mir die beinen Exoten, wie sie da stehen und den Weiterweg besprechen. Bald streben sie, die junge Dame mit Stockeinsatz vorneweg, weiter in Richtung Schlesier Baude. Auch für uns wird es Zeit aufzubrechen.
Das Schild: Spindlerrova, 3,5 km, mit einem Bus-Emblem dahinter, zeigt uns die Richtung. Holperig, mit dicken Steinen durchsetzt zieht unser Weg auf der Höhenlinie bleibend gen Westen. Gelbe Moor-Wiesen, rotlaubige Heidelbeersträucher, die obligatorischen Latschenkiefer, vereinzelt bizarre alte verwitterte Hölzer, stehend oder liegend dazwischen, so weist uns die helle Linie der granitenen Steine des Wanderweges die Richtung. Nicht nur uns, sondern auch den schon längst Dagewesenen ist das alles etwas zu polterig. Ein getretener ebener, sandiger Pfad neben den Wackersteinen des Weges zeigt das an. Dieser für den Wanderer doch etwas zu grob ausgefallene "Steinernde Pfad" ist in die Jahre gekommen. So schaukeln wir, wie Lasten tragende Kamele der Wüste, mal von Stein springend, tretend, steigend, dann wieder ausweichend auf dem sandigen Pfad, der Spindlerbaude zu. Die drei Damen vor uns verwenden die gleiche Taktik wie wir. Manchmal kommen wir ihnen etwas näher, dann sind wir es, die auf dem gleichen Abschnitt des Weges die selben Probleme haben. Dann sind die Drei gleich wieder weit voraus. So zieht sich der Weg und mit ihm die Zeit um manche Kurve. Kurz vor den grünen Dächern der Spindlerbaude verändert sich plötzlich der Wanderweg, wird wieder zu einem dem man den Namen geben kann. Noch etwas Besonderes fällt auf, plötzlich tauchen zwischen dem Heidelbeerkraut die blauen Blüten des Schwalbenwurz-Enzian auf. Es sind die ersten Blüten die wir auf dem Weg von der Schneekoppe bisher in dieser grandiosen moorigen Berglandschaft des Riesengebirges, am Anfang des September, gefunden haben. Im Rückblick betrachtet, wenn man wie wir mit heiler Haut und ohne schmerzenden Knien in der Spindlerbaude angekommen ist, ja, dann kann man mit offenem Herzen und freier Seele, sagen: "Eine wunderschöne Tagesreise haben wir erlebt".
Wunderbar auch das "Helle" auf der Veranda der Spindlerbaude beim Warten auf den Bus.
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