Nicht lange dauert die Gondelfahrt und wir stehen zwischen der Festung Narikala und der "Mutter Georgiens". Einer groĂen Dame aus Stein mit Weinschale und Schwert in den HĂ€nden. Beeindruckend nicht nur die "Mutter" sondern auch von dem unter uns hingestreuten Tbilisi. Unsere Sophia mit Begeisterung in ihrer Stimme und schwenkenden Armen, ist dabei uns das Sehenswerte zu vermitteln. Der Schirm kann eingepackt werden. Die HĂ€nde werden jetzt zum Festhalten am GelĂ€nder gebraucht, denn die kalkhaltigen Stufen, die uns vorbei der Festung Narikala ins Tal zurĂŒck bringen, sind feucht und rutschig. Weitere, andere Aussichten bringen neue, heraus sprudelnde ErklĂ€rungen unserer Sophia. Auf meine Frage wie man Mtkvari, den Namen des Flusses, ausspricht, kommt ein lauter Lacher von ihr und die Antwort: "Es gibt bei uns drei Rachenlaute die unaussprechbar fĂŒr euch sind. Nur wir Georgier beherrschen das". Die drei Laute folgen als Beispiel. Mir kommen sie vor als wenn rauer Wind versucht mit morschem GebĂ€lk alter Festungen Cello zu spielen. Versuche erst gar nicht diese Töne nachzuahmen. Sophia amĂŒsiert sich, sagt: "Selbst unser Nachbar, der Russe, passt da. Bei dem verwandelt sich unser Mtkvari einfach zur Kuna. Ich nenne ihn: "Mekvari", da bin ich perfekt in der Aussprache. Richtig geil finde ich wie der Mtkvari mit seinem bald 30 Meter hohen nördlichen, felsigen Steilufer die Stadt teilt. Wie die WohnhĂ€user mit ĂŒberdachten Balkonen ĂŒber dem Abgrund des Steilufers ihren Halt finden. Nichts fĂŒr bange, Ă€ngstliche Seelen. Das ist der gewaltige Reiter König Wachtang (Wolfshaupt) Georgassali von Iberien / Georgien (468) auf seiner Felsnase am Ende des Hochufers bestimmt auch nicht. LĂ€ssig sitzt er auf seinem krĂ€ftigen Pferd, mit Schwert an der linken Seite und WolfsschĂ€delmĂŒtze auf dem Kopf. Bereit das Christentum vorm Kaukasus, vor Persern, Osmanen und anderen Völkern die das Land bedrĂ€ngten zu schĂŒtzen, zu befreien. Nicht immer war das KriegsglĂŒck ihm hold zu. König Wachtang fiel 502 bei einer Schlacht am Iori. Wo immer das auch ist! PrĂ€chtig glĂ€nzt die goldene Kuppel der riesigen Samba Kathedrale herĂŒber. Doch noch interessanter, und am Wege sind die GebĂ€ude unter uns. Die GebĂ€ude der "SchwefelbĂ€der". So eindrucksvoll sind sie, dass selbst Dichter Puschkin diese lobende Worte darĂŒber sprach: "Nicht in Russland, nicht bei den TĂŒrken, fand ich, seit ich lebe, köstlichere als Tiflis BĂ€der!" Wir getriebenen Touristen rennen da nur vorbei. Behalten nur die AuĂenfassaden im GedĂ€chtnis. Rennen stattdessen weiter zur Bambis Rigi, der Watte Gasse. Hier hockt ein "Tamada", ein UnterhaltungskĂŒnstler, ein Zeremonienmeister einer feiernden Gesellschaft auf einem Stein. Der Arme darf sein immer nachzufĂŒllendes FĂŒllhorn nicht aus der Hand legen, muss trinkend und sprechend seine Gesellschaft unterhalten. Dabei soll es vorkommen, dass so nebenbei mal so sechs bis acht Liter Wein durch seine Kehle flieĂen. Schwanken und lallen ist tabu! Etwas fĂŒr harte Knaben, diese uralte, strenge, an SelbstgeiĂelung erinnernde Sitte Georgiens. Heute haben die TrinkgefĂ€Ăe in der Regel Stiele und FĂŒĂe. Acht Liter Wein gehen auch ganz schön ins Geld. Etwas weiter steht eine dreistöckige Karawanserei. Etwas umgebaut in der neueren Zeit . Nun ein Platz zum Schlendern, zum Ruhen, des Einkaufs, wenigstens in der unteren Etage. Die zwei oberen Etagen, mit durchgehendem Balkon versehen, dienen als Wohnraum. Ein zum CafĂ© umgebauter StraĂenbahnwagen findet mehr Interesse. Doch unsere Sophia kennt einen besseren Platz in der NĂ€he, etwas nobler mit Tisch und StĂŒhlen vor dem Verkaufsraum. Der wird zum Ziel erklĂ€rt und wie ein wackelnder Ziegenschwanz dem TrĂ€ger folgt, folgen wir ihr. "Nur etwas trinken bitte, sonst lĂ€uft uns die Zeit davon" ihre Ansage. Doch da ist die Folgsamkeit schon lĂ€ngst wieder verloren gegangen. Unsere Flasche Wasser ist schon lange ausgetrunken, da hocken unsere Damen einschlieĂlich ihrer mĂ€nnlichen Begleiter noch immer bei dampfendem Kaffee und SahnestĂŒcken. Wir vertreiben die weitere Zeit in einem kleinen Garten unterhalb des CafĂ©s beim Denkmal einer Georgischen TĂ€nzerin. Hier stehen BĂ€nke im leichten Schatten, der Verkehr begrenzt sich auf durchgefĂŒhrte Touristengruppen und einzelne FuĂgĂ€nger. Auf einer Bank schlĂ€ft, unbeeindruckt von den Vorbeilaufenden, ein etwas herunter gekommener Herr. Sein Plastikbeutel dient als Kopfkissen. Ein gelb-bewesteter der Stadtverwaltung kommt und bringt ihn auf die Beine. Kleine Diskussion zwischen den Beiden. Endet damit, das der SchlĂ€fer den Stadtbediensteten in seine Zigarettenschachtel greifen lĂ€sst. Der zieht bald, mit brennenden GlimmstĂ€ngel in der Schnute, davon. Der SchlĂ€fer liegt wieder auf seiner Bank. So funktioniert Georgien!
Irgendwann endet die Kaffeepause, es geht zur Synagoge. Nicht weit ist zu laufen, fast gegenĂŒber. Die Synagoge, ein rotes BacksteingebĂ€ude. Eine weiĂe, neuntĂŒrmige Mauer mit Davidstern davor. Daneben Treppenstufen die von zwei grau-schwarzen Löwen bewacht werden. Eine gleichfarbige Katze hat es sich zwischen den Vorder- und HinterlĂ€ufen eines der hockenden Löwen bequem gemacht. Gelangweilt, mit halbgeschlossenen Augen betrachtet sie den Strom der Besucher, geniest den Sonnenschein, wird von den Vorbeiströmenden meist nicht einmal bemerkt. So wie ich das sehe, eine ungewollte Persiflage auf die Beziehungen zwischen Israel und den USA. Eindrucksvoll, von Licht durchströmt der Gebetsraum. Es ist das Licht, vielleicht der Respekt vor den AndersglĂ€ubigen, das mich bald wieder nach drauĂen zieht? Tauche dort in meine Gedanken. Betrachte die der Synagoge umschlieĂenden verfallenen alten GebĂ€ude, die groĂen weiĂen TrichterblĂŒten des Stechapfels die neben den Treppenstufen erblĂŒht sind. Zwischen ihren grĂŒnen BlĂ€tter behauptet sich der rotlaubige Amaranthus / Fuchsschwanz.
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