Die Rückfahrt über Kutaisi, wieder vorbei am Kolchis-Springbrunnen (wieder kein Ton von der Reiseleitung) und bevor die Müdigkeit die Augenlider schließt, taucht aus dem Grün der Wälder, die "Akademie von Gelati" auf. Wie immer an "Brennpunkten der Geschichte" Verkaufsstände, Verkaufsstände voll behangen mit Tschurtschkella, den Nüssen im Traubenmantel. Ein niedriger mit rutschigen Stufen versehener Torbogen bringt uns in den Wiesengarten der Akademie. Ein strahlendes Blau über einem kriechenden Grün hinter einem Gartenzaun, zwingt mich zum Niederknien. Grüner Stiel, grünes Blatt, grüner Kelch, drei weiße Stempel mit grauer Narbe auf weißer Lippe, dem dritten nach unten gerichteten Blütenblatt. Im Mittelpunkt vier leuchtend gelbe Pollenträger, dahinter zwei nach oben gerichtet strahlend blaue Blütenblätter. Zauberhaft. Tagblume / Commelina communis nennt sich die Schöne. Sie gehört zu den Tradescantia / Dreimasterblumen.
Doch wichtiger ist hier das Schmuckstück von Gelati, die Gottesmutter-Kirche. Zwar sind ihre Wand-Fresken, das Mosaik der Apsiskuppel arg von der Zeit in Mitleidenschaft gezogen. Doch immer noch nehmen sie den Betrachter mit ihrer vergänglichen Farbenpracht gefangen. Unauffällig reinigt ein Bediensteter mit einem verlängerten Besen die Kunstwerke zwischen den Türbögen, die erreichbaren Fresken der Wände. Eine martialische Prozedur die die Fresken da erleiden. Sein Modell der Akademie, das König Davit IV. (der erste links mit der roten Krone), in seiner linken Hand trägt, hat den Reinigungsaktionen nicht mehr viel entgegen zu setzen.
Am äußeren Gebäude wird gewerkelt. Neue, grünlasierte Ziegel schmücken Ihre Dächer, die Erker die Türme. Liegen bereit noch verbaut zu werden. Auf dem Torhaus mit dem Grab Königs Davit IV. fehlen sie noch. Sophia erklärt mit unterstützenden Armbewegungen den Willen des Königs: "Dies ist für alle Zeiten meine Ruhestätte. Hier lasse ich mich nieder, denn so war mein Wille." So kommt es, dass die früheren Besucher über seine Grabplatte steigen mussten um die Akademie von Gelati betreten zu können. Er legte seinen Geist zu Füßen seiner Untertanen. Mit einem kleinen Konzert eines Quartetts georgischer Spielleute werden wir verabschiedet. Steigen eine Etage höher, zum anschließenden Friedhof. Lernen die Grabkultur der Georgier kennen. Eine große, ca. 6m/4m ebene unbepflanzte eingezäunte Fläche mit einem Tisch am Rand, dem Grabstein im Mittelpunkt einer Seite. Ein paar vertrocknete Sträuße davor. Das ist es. Alle Verstorbenen der Familie finden hier ihre Erdbestattung. Der Glauben schreibt das vor. Zu Bestattungen und sonst einmal im Jahr trifft sich die Familie am Grab ihrer Verstorbenen. Da wird die Grabfläche gesäubert, der Tisch gedeckt. Es wird gegessen, getrunken, Geschichten erzählt, den Verstorbenen gedacht. Dann aber Schluss mit lustig, bis zu einem neuen Todesfall oder bis zum nächsten Familienjahrestreff! Fällt die jährliche Totenfeier aus, so übernimmt die Natur die Grabpflege. So jedenfalls habe ich das Ritual verstanden. Dann übernehmen, wuchern Bambusarten, Kermesbeeren, Knopfkräuter, Gräser u.a. das Kommando. Streichen Schnecken umher, geht die Gottesanbeterin auf Jagd. Eine von diesen grünen Stabheuschrecken landet auf dem Oberhemd eines Schafzüchters aus unseren Reihen. Durch Zufall? Oder hat der grüne Stab so eine feine Nase, dass sie den Naturfreund gezielt ausgesucht hat? Beide werden zum Fotostar des Tages. Wanderwegweiser gibt es hier auch. Was fehlt, ist eine getrampelte Spur durch die Wiesen. Freies, wegloses wandern ist die Alternative. Reizvoll wäre es einen Versuch zu starten. Geht aber, Gott sei Dank, nicht, denn die "Kathedrale Maria Entschlafen" in Kutaisi wartet auf uns. Auf einem Hügel über der Stadt steht die Renovierte neben einer beeindruckender Zeder. Auch "Maria Entschlafen" wurde aus dem Reigen des Weltkulturerbe verbannt. Der Anbau eines Liftes ist zu störend, entschieden die Gutachter der UNESCO. In einer Nische erinnert ein mit Haaren zusammengebundenes Kreuz an eine Dame die zum Übertritt zum Islam gezwungen wurde. Mit ihren Haaren band sie Äste einer Weinrebe zu einem Kreuz, dem Symbol der Christen. Vor dem Bildnis eines Heiligen brennen Kerzen. Ich kenne ihn nicht. Sein Gesichtsausdruck, vom Künstler herausgearbeitet, verrät seine Gedanken. Oder sind es nur meine, die mich in die Gegenwart des, was die Kirchen bei uns zur Zeit belastet, treiben?
Am Abend sind wir wieder in Tbilisi. Beziehen unser altes Hotel wieder. Bringen leider eine weitere, von der Rache Montezumas befallenen Kranke mit.
Ein elegantes Abendessen in einer Gastronomie des Vergnügungsparks auf dem Hügel weit oberhalb unseres Hotels. Einem Lieblingslokal der Tbilisier auf dem Mtatsminda zur Zeiten der Sowjets und auch jetzt, nach einem Umbau im Jahr 2007, wieder. Eine Band der Extraklasse unterhält uns, weitere eintreffenden Hungrige, die sich an den langen eingedeckten Tischen platzieren, auf's Angenehmste. Auch aus unseren Reihen melden sich versteckte Tänzer, drehen ihre Runde. Als die Stimmung lockerer wird, die Augen blitzen, die Worte nicht mehr geflüstert werden, bringt uns Sofia auf die Beine, unser Fahrer unsere Gesellschaft zum Hotel. Wieder ein langer, schöner Tag unserer Reise vergangen, vorüber.
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