Vorsichtshalber ist sich die, zu dem blau behemdeten Herrn gehörende Dame im gepunkteten Dress, ein wenig zur Seite getreten, will den Weltverbesserern nicht ins Handwerk pfuschen. Ein weiterer älterer Herr hat seine Daumen unter die Träger seines Rucksack gesteckt, macht seine Denk- und Ruhepause im Stehen. Dem Jüngsten, mit der Nr. 8 auf dem Rücken seines rot-schwarzen Hemdes, ist das alles scheiß egal. Er macht sich davon. Links vom Vortragenden daddelt ein Herr sich durch die Zukunft. Sucht vielleicht bei Google nach Aspiranteur oder Trieur oder er sucht ob es der Suchmaschine gelingt der Schälmaschine auf dem Mühlenboden zu widersprechen, die da behauptet: "Der Müller kann die Mühle drehen, aber den Wind nicht". Doch das trifft die Wassermühle von Zimmermann ja nun überhaupt nicht. Die muss sich höchstens, wenn der Wind stark pustet, um ihre lockeren Dachziegel sorgen. Denn dort schimmert das Licht, pfeift der Wind hindurch. Verrostende Trichter, Rohre, Seile, Zeitflocken und Spinnweben in der guten Stube, werden geschützt von einem ungebrauchten roten Feuerlöscher am Haken auf dem Flur vor der Zimmertür. Ineinander greifende Eisenräder mit Schmiernippel an Eisenwellen.
War es der letzte Besuch in einer sterbenden Mühle, ihrer technischen Wunderwerke? Ich glaube es bald. Noch ein Rundgang über den Mühlenhof. Vorbei an unterschiedlichen Rassen von Hühnern. Von kleinen Bunten über mittelgroßen Weißen bis zu fetten Rot-Braunen. Alles vertreten. Dazu noch ihre Eier, präsentiert zwischen den Speichen eines liegende, mit Eisenreifen beschlagenen hölzernen Rades. Da liegen sie, die Eier, in weiss, in braun, blau, gesprenkelt und gescheckt auf Rindenmulch und jeder erkennt: Jede Geflügelrasse umhüllt seine Gene auf eigene Weise, möchte ihr eigenes Ei bebrüten und nicht das eines Kuckucks! Doch der versteht sich schon darauf die Hennen hinters Licht zu führen.
Wir verlassen die Mühle Zimmermann, schlendern an der vergangenen Wassermühle Hinze, einer Erzhütte mit Schmelzofen, Pochmühle und Eisenhammer vorbei. Nicht viel übergeblieben von dem Industriestandort. Tangieren die Sägemühle Siebrecht, überschreiten die Ecker. Verlassen die Hoheit mit ihren vor dem Ort an der westlichen Seite der Ecker liegenden ehemaligen Mühlen. Die Ecker ist wieder um das Wasser des Mühlgrabens reicher. Doch nicht lange. Fast gegenüber beginnt der Mühlengraben der sich durch ganz Abbenrode zieht, die Mühlen der östlichen Seite der Ecker mit seinem Wasser versorgte. Dies ist ein besonders schöner Teil des Mühlenwanderweges durch Abbenrode. Hier wird das Dorf in seiner Schönheit, seinen hinterliegenden Gärten, Höfen, Wäscheplätzen und Hühnerställen in seiner gesamten Dörflichen Wirklichkeit präsentiert. Hier schaut man über den Zaun, bewundert Grünkohl- und Blumenbeete, Ziegen mit ihren Böcken, Hühner mit ihren Hähnen, Grillmeister mit Familien und Gästen, schleichende Katzen, schwanzwedelnde und bellende Hunde. Auffliegende Sperlinge die vor lauter tschilpen und gezerre, sich nicht einig werden, was sie eigentlich wollen, abhauen oder bleiben. Wenn das Wetter stimmt, auch Leinen mit flatternder Bettwäsche, kleinen und breiten Unterhosen, bunten Oberhemden, einfarbigen Unterhemden, von Wollsocken und anderem was dringend gewaschen werden muss. Halt alles Dinge die in einer mehr oder wenigen intakten Dorfgemeinschaft ihr zuhause haben. Leider wird dieser kleine Pfad am Mühlengraben nicht mehr mit so viel Liebe, wie zu seiner Entstehung betreut. Die, die ihn liebevoll unterhielten sind wohl zu alt geworden! Jüngere müssen sich erst mit ihre Heimat auseinander setzen bis sie sie so lieben wie die Alten es taten und auch Hand anlegen für ihre dörfliche Gemeinschaft.
Heute am Mühlentag bleiben wir erst bei der Otto-Mühle, die Menschenschlange ist viel zu lang um sich in den Besucherstrom einreihen zu können. Wir wechseln zum gegenüber liegenden Heimatmuseum. Hier herrscht gesellschaftlicher Tumult. Auch hier wird getrunken und gegessen, wird vor den Buden gedrängelt, hier sitzt niemand allein am Tisch. Wir auch nicht.
Das Heimatmuseum gekonnt und liebevoll eingerichtet. Mitglieder des Heimatvereins geben gewünschte Informationen, sind da für ihre Besucher. Keine Frage bleibt unbeantwortet, selbst wenn der Wissende erst gesucht werden muss. Er wird gefunden.
Man merkt nicht wie die Mittagszeit zum Nachmittag wird und ehe man sich versieht drängt der Abend nach Hause. Sonnenstrahlen über dem Syrischen Brandkraut in einem Garten. Wild wachsend die Knotige Braunwurz mit ihren winzigen braun-grünen Blüten, die Vierblättrige Einbeere, schon ihre schwarzen Beere, den Zankapfel, tragend im feuchtem Grund am Wege. Die Gelben Schwertlilien an den Klärteichen betrachten ihr Spiegelbild im dunklem Wasser. Lautlos, im abgehackten Flug die Fledermäuse. Die Frösche spüren den Tritt, hören die Laute der Heimkehrenden, schweigen.
Das machen wir auch.
Otto Pake