In blau und rot blüht der Hang. Blau der Blütenähren des Wiesensalbei / Salvia pratensis, karminrot die Blüten des Sommer-Teufelsauge / Adonis aestivalis. Auf Knien rutschen die Fotografen, fotografieren und fotografieren, suchen das beste Motiv. Sind voller Freude wenn sich zu dem Blau ein Weiß des Wiesensalbei einmischt. Der niedrig bleibenden Moschus-Reierschnabel mit seinen blassroten, fleckenlosen Blüten wird im Rausch der Farben übersehen. Dem Venuskamm / Scandix pecten-venergis trifft es ebenso. Er verschwindet im Grün der Gräser.
Der Wiesenbocksbart öffnet seine Knospen, der Gewöhnliche Hornklee versucht das auch. Und über dem Allen diskutieren, am schrägen Hang stehend, die Fachleute. Die Ungarische Rauke nimmt davon, wenn sie denn nicht umgetreten wird, überhaupt keine Notiz. Ihre schmalen Blätter am langen, hohen Stängel, ihre sich öffnenden hellgelben Blüten glänzen matt im Licht der Sonne, überragen die gesamte Vegetation der Gräser, der Wiesenblumen. Hinter der nächsten Kurve hat die Pfeilkresse das Kommando übernommen, hat die Fläche mit ihren weißen dolden-traubigen Blütenköpfen überzogen. Drei Schritte weiter, ein weiterer Höhepunkt. Die weißgelben Fahnen der Ungarischen Wicke / Vicia pannonica beschäftigen die Botaniker. Nur selten ist sie zu finden und bringt so manchen ihrer Betrachter eine besondere Freude. Der kleine Pfad der uns an der Hangkante entlang führt, endet. Ein Gebüschsaum ist am Hang hochgewachsen. Ein Pfad wird in das Besenraukenfeld getreten. So erreichen wir einen Feldweg der etwas zurückliegend oberhalb der Bode der Bewirtschaftung der Felder dient, sich in der Feldmark verliert. Auch hier strahlen die Blüten des Sommer-Teufelsauge, diesmal nicht in ihrem typisch leuchtenden Rot sondern in einem hellen Gelb, wobei die schwarzen Punkte im Zentrum der Blüte, die blauen Staubgefäße, das gestreifte Gelb ihre Blütenblätter, besonders betonen. Etwas entfernt legt die Mariendistel ihre weiße, geaderte Blattrosette über die braune Ackerkrume. Auch der leicht zu übersehende Niederliegende Krähenfuß / Coronopus squamatus, ein grünes Wirrwarr das am Wegrand über den Boden krabbelt, taucht auf. Es zeigt noch keine ihrer kleinen weißen Kreuzblüten, wartet noch ein wenig damit. Nach links zieht sich ein niedriges Tälchen hoch zum Köhlersberg. Hier wird nach Orchideen gesucht. Die sind aber nicht auszumachen, sind verschwunden. Werden nicht wieder gefunden. Vor lauter Frust über den Misserfolg wird zur Pause gerufen. Butterbrot und was sonst noch so alles im Rucksack mit herum geschleppt wird, der eigenen Lebenserhaltung dient und als wichtig erachtet wird, erblickt kurz das Sonnenlicht bevor es mit den Zähnen zermahlen wird, im Schlund verschwindet. Frustbewältigung sozusagen. Ein Feldahorn weckt mein Interesse. Im kräftigen rotbraun leuchten die Flügel seiner Früchte, haben sich sogar über ihre normale Waagerechte hinaus nach oben gezogen. Beim Grübeln wie so etwas kommt, vergesse ich die nichtgefunden Orchideen. Finde aber trotzdem keine Erklärung.
Dafür einen Unbekannten! Einen Käfer mit langen, knotig-geringelten Fühlern, schwarzem Kopf und Halsschild und hellen, leicht gestreiften Flügeldecken, der auf dem Boden langsam herum läuft, schneller wird als die Kamera näher kommt, in, unter den langen federartigen Blättern der Schafgarbe in Deckung geht, verschwindet. Niemand kann mir weiter helfen, sagen was für einen Käfer ich da fotografiert habe. Mit einem Bild über die Bodeniederung, in dem die gelben Blüten der Rauke mit eingestreuten blauen der Phacelia, den blühenden gelben Rapsfeldern, die Baggerteiche der Kieswerke in der Ferne das Bild bestimmen, verabschiedet uns die Bode. Die Vegetation ihrer westlichenTerrasse ist beeindruckend und bleibt im Gedächtnis auf eine Wiederholung ihres Besuches, gespeichert.
Es dauert schon eine Weile bis der unbekannte Käfer seine Identität frei gibt. Manches Buch wird durchblättert, das Internet zu Rate gezogen, gegrübelt, das Ergebnis verworfen. Ist auch nicht so ganz einfach den Dorcadion fuliginator var. atrum, den Variablen Erdbock, auch Böckchen, Schwarzer Erdbock oder Schornsteinfeger genannt zu bestimmen. Es ist also ein Bockkäfer der mit seiner Vielfalt im Aussehen irritiert, der die meiste Zeit seines Lebens, das zwei Jahre dauern soll, in der Dunkelheit der Erde verbringt, nur für kurze Zeit das Licht sucht. Werde bestimmt lange suchen müssen ihn, oder eine seiner Erscheinungsformen am trocken Hang der Bode wieder zu finden. Suchen ist aber nicht das was ich besonders gut kann. Deshalb werde ich lieber dem Zufall eine Chance einräumen mich wieder einmal mit etwas Besonderem zu erfreuen.
Otto Pake
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