2019.04.27.
2. Karpfen gebacken
Oliver und ich wandern durch die Fränkische Schweiz. Es ist Herbst die Bäume bunt. Warmer Sonnenschein am Tage, kühle Nächte. Karpfenzeit in Franken. Der Höhenglück-Steig im Hirschbachtal lockt uns. 1959 lernte ich den kennen. Da kletterte ich mit dem Gerhard aus Selb hier in den Felsen umher. Hat mir so gut gefallen, dass ich Oliver diesen Steig unbedingt zeigen muss. In unserer Euphorie ihn so schnell gefunden, wiederentdeckt zu haben machen wir uns gleich daran ihn zu durchsteigen. So klettern, hangeln wir uns mit den Rucksack auf den Rücken an der Wand entlang. Treten auf die eingelassenen Eisenstangen, ziehen uns an Festpunkten zur Höhe. Alles halbseiden und ziemlich leichtfertig unser Tun. Doch was soll uns passieren. Kräftig sind unsere Hände, sicher unser Tritt. Nur der schwere Wanderrucksack auf den Rücken, der macht leichte Schwierigkeiten. Der wackelt manchmal und dann nicht nur der, sondern auch die Beine. Doch alles geht gut und weil es so schön war wurde gleich noch eine Runde drangehängt. Diesmal ohne Rucksack auf den Schultern. Wunderbare Klettertour! Der Tag endet im Glück. In Hirschbach finden wir Quartier. Unser Gasthaus hat zwar Ruhetag, doch ein Zimmer bekommen wir. Zum Abendessen werden wir ins nächstbeste Gasthaus, -das neben der Kirche-, verwiesen. Voll ist der Laden, an jedem Tisch hocken Gäste. Unsere Augen mustern die Tische, wo bekommen wir noch Platz für unseren Hintern. Ein einsamer Herr an einem der Tische winkt uns zu, bietet uns an sich zu ihm zu setzen. Das tun wir. Nicht lange dauert es, da wird ihm ein gebackener Karpfen serviert. Der sieht gut aus auf seinem Teller, verströmt einen Geruch der die Geschmacksnerven sensibilisiert, den Speichel in den Mund einfließen lässt. Wir wählen etwas anderes, haben uns noch nie an einem gebackenen Karpfen versucht, haben keine Ahnung wie so ein gebackener Karpfen verzehrt wird. Ein Staunen kommt über uns wie der Herr mit seinem Karpfen umgeht. Er haut, dass darf man so nennen, seine Gabel hinter den dicken Lippen des Karpfens direkt in seine Wangen. Zieht sein Messer durch den halben Karpfenkopf, reißt seinen Mund auf, schiebt die volle Gabel hinter die Lippen und kaut. Es knistert und knirscht im Munde des Essers. Ich sitze ziemlich fassungslos daneben, betrachte das Ganze. Weiß gar nicht was ich sagen soll. Oliver fängt an zu blackern, lacht sich halb tot, kann auch nicht begreifen was er da sieht. Ich versuche Oliver zur Räson zu bringen, er soll sein Gekichere einzustellen. Gelingt mir nicht. Erst als wir unser Schnitzel serviert bekommen, wir uns auf unseren Teller konzentrieren müssen hört sein blackerndes Gekicher auf. Doch bei unserem Mahl lässt es sich nicht verhindern, immer, mindestens ein Ohr, eins unserer Augen auf dem Teller des Karpfenessers zu haben. Eine knisternde, splitternde Karpfenessorgie, bei dem der Speisende die Welt um sich zur Seite geschoben hat nur noch sein Tun geniest, wird uns geboten. Zum Schluss bleibt von dem Karpfen nur noch die Mittelgräte, ein paar der stärksten Seitengräten und wenige Reste des Kopfes über. Sichtlich zufrieden wird der Teller beiseite geschoben, sich im Stuhl zurückgelegt. Ein tiefer glücklicher Seufzer schließt die Mahlzeit ab. Nun treibt mich meine Neugier: "Bitte, dass man so in der Gänze einen Karpfen verzehren kann, habe ich noch nie gesehen, geschweige denn gewusst. Ich bin beeindruckt. Wie gehen sie denn mit den vielen Gräten um, die müssten doch im Halse steckenbleiben, vor allem die gemeinen Ypsilongräten die so ein Karpfen hat"?
"Das macht nichts, die sind wenn der Karpfen richtig zubereitet ist, weitgehend verschwunden und sonst ist der Karpfen ein Friedfisch und da kann alles gegessen werden. Im Herbst, wenn hier in Franken Karpfenzeit ist, komme ich immer für ein paar Tage her. Wandere und esse jeden Tag zwei Karpfen. Einen zu Mittag und einen zu Abend. Immer in einem anderen Gastaus. Dort wo er mir in der Woche besonders schmeckte wird dann das "Königsessen" vollzogen. Da gibt es den "Zweiten" aus dem gleichen Hause. Diese Spezialität des "Gebackenen Karpfen" gibt es nur hier, sie sollten ihn einmal probieren". Sagt es, bezahlt, steht auf verabschiedet sich und geht . Wir hocken noch einen Moment am Tisch, lassen das Erlebte sacken. Als der Wirt zum Abräumen erscheint, mit großen Augen die mageren Reste auf dem Karpfenteller betrachtet, uns und den Teller mehrmals mustert, "Dem hat es wohl geschmeckt" durch die Zähne quetscht uns fragt: "Ihnen auch". Wir ihm zunicken, ist auch für uns die Zeit gekommen den Abend zu beenden. Bald stehen wir vor der verschlossenen Eingangstür unseres Gasthauses. Wir klingeln und gleich darauf werden wir eingelassen. Ein weiter Übernachtungsgast trifft noch ein. "Möchten die Herren noch ein Bier" spricht der Wirt uns an. Wir wollen. So läuft eine kleine Runde auf den Wirt. Bald kommt das eben Erlebte zur Sprache. "Was, der war auch da drüben? Der war gestern Mittag bei mir. Ich habe vergebens die Überreste des Karpfens gesucht. Selbst im Blumenkasten, in den Blumentöpfen habe gesucht, doch nichts hab ich an Resten gefunden. Hat der das alles aufgefressen"?
"Ja",kann ich nur antworten. "Ich hab es gesehen".
Otto Pake