Die Natur hat die schrägen Böschungen der kanalisierten Oker zurück erobert. Weiden, Erlen, Feldahorn, Birken und Pappeln, Brombeeren und andere Feldgehölze haben sich angesiedelt. Die feuchten freien Uferflächen mit hochwachsenden Stauden wie Mädesüß, Wasserdost. Etwas mehr im Trockenen, weiße Blütenschirme der Wilden Möhre, die Rote Lichtnelke, der Natterkopf, die Rundblättrige Glockenblume vermischt mit Zypressenwolfsmilch, vereinzelte Blüten der Schafgarbe. Zur anderen Wegseite, an den Kiesteichen, dichte Gehölze in den Farben des Herbstes. Ein Spitzahorn berauscht sich selbst an seiner gelb-braun-roten Pracht, nur wenige Durchblicke auf die Wasserfläche frei lassend. Sich im Wasser widerspiegelnde Bäume an gegenüber liegenden Ufer. Der Damm zwischen den Kiesteichen bringt uns zur anderen Seite, in der Nähe der stark befahrenen L241. Der Überlauf des Teiches, der die anschließenden Kiesteiche miteinander verbinden sollte, die Oker wieder aus ihrem kanalisierten Bett ein halbwegs natürliches Fließen zurückgeben sollte, ist trocken und überwachsen. Dicke, hohe, blaue Tuffs von Natterkopf, letzte fliegenlockende weiße Dolden der Wilden Möhre. Blaues Läuten der Rundblättrigen Glockenblume. Auch wird der freie Platz genutzt von Anglern und Naturbeobachtern. Von Vienenburg kommend fahren geschlossenen Kolonnen von Fahrzeugen in Richtung Goslar. Manchmal sind es sechs, dann wieder zehn, zwölf Autos brav hintereinander. Die Brückenampel über die Oker am Ortsausgang von Vienenburg hat sie zusammen gebracht. Diese Kolonne löst sich in der Regel durch den Gegenverkehr, bis Goslar, auch nicht mehr auf. Die alte Stahlbrücke über die Oker ist ins Alter gekommen; wenigstens in den Augen der Behörde. Gegenverkehr auf der Brücke ist jetzt verboten und so läuft nun der Verkehr ampelgeregelt einspurig über die Brücke. Auf Jahre soll das so gehen. Verkehrsberuhigung der hinterhältigsten Art! Eine neue Brücke? Ja, aber erst in zehn, vielleicht auch zwanzig Jahren? So grenzt sich die Stadt Goslar diskret unschuldig, doch nachhaltig, von ihrem neuen ländlichen Stadtteil Vienenburg ab.
Der Blick nach Südosten, über den Kiesteich hinweg, zeigt eingehüllt in lockerem Dunst, die Silhouette des Brockens. Bunte, von grün über gelb ins rotbraun webende Farbtöne der Uferbäume versuchen ihn zu verdecken. Ein ergebnisloses Verlangen. Er ist der von der Ferne über der Okeraue Dominierende. Der Abwasserstrom der Kieswäsche schwemmt sachte aber stetig den Kiesteich wieder zu. Gern wird diese Einlaufrinne von Graureihern als Jagdplatz genutzt, von Schwänen zur Ruhebank ausgewählt. Heute liegt sie einsam, verlassen da. An der Waldkante des Krähenholzes wechseln wir über die L241. Gelb blüht im Straßenschotter am Asphaltrand das Schmalblättrige Greiskraut (Senecio inaequidens). Es blüht nicht nur, es fruchtet auch. Bald wird es seine Schirmchenflieger entlassen, dem Windzug vorbeifahrenden Autos anvertrauen und im nächsten Jahr werden zahlreiche Nachkommen seinen Standort in ein gelbes Straßenband verwandeln. Vorbei an einem abgeblühten Wildacker verschwinden wir unter den Bäumen des Krähenholzes.
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