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1 Kopfweiden

Im gegenüberliegenden Graben strömt aus einer, aus dem Acker auftauchende Betonröhre ein starker Wasserschwall. Sein Wasser muss wärmer sein als die Umgebung. Denn rund um das Wasserloch und auch im weiteren Verlauf des Grabens, der kurz darauf die Wegseite wechselt, ist der Schnee geschmolzen, wachsen schon frische grüne Gräser. Hinter uns hat sich der Brocken mit weißen Wolkenlocken geschmückt. Wie eine schweigende Schafherde schweben sie, für uns bewegungslos anzusehen, weit über seiner Kuppe. Weiter im Osten bestimmen  auseinander getriebene Schleierwolken den Himmel, schieben sich vor die Sonne, streuen ein gelbliches Orange über die weiße Schneedecke. Deuten sie Schlechtwetter an? Unsere Schirme liegen Zuhause! Von der Bahnbrücke betrachten wir die tief im Gelände eingeschnittene tote Bahntrasse. Zugewachsen, in einem Dickicht von Sträuchern und Bäumen fast verschwunden ist sie Teil der Landschaft geworden. Die starke Salweide mitten auf dem altem Gleisbett zeigt schon ihre silberglänzenden Kätzchen. Bald werde die Bienen fliegen, sie finden, ihre Pollen verzehren, einsammeln, zu ihrem Stock tragen und nebenbei die weiblichen Blüten ihrer Wirtspflanze bestäuben. Bald wird es soweit sein!
Ein roter Anorak läuft zwischen den Feldern umher. Ein großer Hund springt vor ihm Schnee. "Rita, wenn die Beiden da umher laufen muss der Weg oberhalb des Mühlgrabens begehbar sein, lass uns die Straße verlassen und auch dort entlang gehen". "Willst du wieder durch den Schnee stapfen, ist doch gut hier auf der Straße bis Schauen, aber wenn du willst", ihr leichter Widerspruch. Wir schwenken ab zu Hund und roten Anorak. Der Anorak bemerkt dies bald, lässt seinen Hund noch ein Weilchen vor sich her springen. Dort wo sein Wiesenweg auf unseren stößt, wendet er plötzlich und marschiert, einer Begegnung mit uns ausweichend, strammen Schrittes in der eigenen Spur zurück. Erst weiß sein Hund nicht so richtig Bescheid was los ist. Er zaudert, bleibt verwundert sitzen. Erst als die Distanz zwischen ihm und dem roten Anorak immer größer wird springt er dem hinter her. Wie Rita befürchtet hat, stolpern wir, wie schon einmal gehabt, am Rand des Wiesenwegs, mal auf Grasbulben, mal auf nun angetaute Ackerkrume tretend, den Trittspuren des roten Anoraks hinterher. Dem großen Hund zu folgen verbietet sich. Der springt durch die Wehen des Wiesenwegs, folgt der Spur eines Hasen.
Ein abgestorbener Apfelbaum am Weg. Seine zwei starken Äste wie ein Irminsul auseinander strebend, halten "allumfassend" den Ort, den Kiefernhügel von Schauen. Auf der Betonstraße in Richtung Berßel radelt der rote Anorak, begleitet von seinem ihm umspringenden Hunde. Ein hupendes Auto treibt beide zur Seite. Immer noch umgibt uns gedämpftes orangefarbiges Licht. Noch immer drängeln sich Zirruswolken vor die Sonne, noch immer zieht die flockige Schafherde über den Brocken und weiter über den Hohnekamm. Die glücklichen Brockenbesucher haben einen aussichtsreichen Tag erwischt. Im Mühlgraben, den wir bald überqueren, drängelt sich frisches Grün an die Wasseroberfläche. Die Blätter der Brunnenkresse im fließenden sauberen Wasser. In den Gräben die uns weiter begleiten, weiß selbst das Wasser nicht wo es hin soll oder will. Stumpfsinnig, mit Schlieren von Algen überzogen, wartet es wie Demenzkranke auf das was kommt. Erinnert es sich vielleicht an ein fröhliches Fließen, einen lustigen Sprung über Klippen und Steine, an Fischen die sich in ihm wohl fühlten? Nun hat der Stickstoff der Felder, der Stillstand, die Algenschlieren, sein lustiges Blinkern im Licht der Sonne, seinen Lebensmut genommen. Trübsinnige Gedanken!
Ein anderer Graben voll mit trockenen Schilfhalmen die sich leicht raschelnd im Winde wiegen, nein, sie tanzen noch weit über ihren Tod hinaus; bis der Frühling der Sommer eine neue Generation wachsen lässt. Dann erst lassen sie sich vom Wind knicken und verschwinden unter den frischen, grünen Halmen der neuen Generation. Noch nicht ganz verschwunden ist die mächtige Pappel, die auch der "Friederike" nicht mehr trotzen konnte. Umgeweht blockiert sie den Betonweg.

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