Bestimmen so das Bild der Buchenstämme. Nicht umsonst heißt die Buche Buche. Man kann lesen an ihr und wer ihr zu hören will dem tut sie den Gefallen und erzählt etwas aus ihrem langen Leben. Was sie berührt, was sie gesehen, was sie erlebt hat. Manchmal jedoch wird auch nachgeholfen. Schnitzereien wie: "Low Karola", was ja eindeutig ist, auch eingeritzte Herzen oder nur die ersten Buchstaben der Namen zeigen Sehnsüchte und Verlangen, Träume. Doch auch Malereien wie "Theresien Ruh 1858" sind zu finden. Da trauert bestimmt jemand dem vollbrüstigen Bild der Kaiserin Maria Theresia das die Vorderseite ihres "Talers" ziert oder seiner "Außerdienststellung" am 1.11.1858 nach. Wie auch immer. Auf jeden Fall zieht jemand den weißen, alten Schriftzug an der krummen Rotbuche, mit dem Pfeil nach links, immer wieder nach. Die kleine Banknische am Hang, südlich der beschrifteten Buche, unterhalb des Felsriegels, ist zugewachsen. Ohne Blick auf Harzburg und Harzberge wird sie weiterhin auf eine neue Bank, auf Wiederbelebung warten, müssen.
Um diese für das Grün der Blätter zu erreichen ist es viel zu spät. Die Hitze,die Sommertrockenheit, hat sie hingerafft und die Dürre ist noch nicht vorbei. Statt sich farbig vom Sommer zu verabschieden rollen sich viele Blätter vertrocknend zusammen, verblasst ihr Grün zu braunen, grauen Tönen. Doch dem Efeu macht das alles nichts. Er erklimmt die Stämme, hüllt sie ein, blüht mit duftenden, unscheinbaren Blüten in luftiger Höhe. Lockt die letzten Bienen und Wespen mit seiner Süße. Sonnenstrahlen verzerren den Schatten seiner Blätter auf dem Buchenstamm zu Schweifsternen. Eine Florfliege ruht auf einer Segelfrucht der Hainbuche, wärmt ihren grünen Leib, ihre durchsichtigen Flügel. Rot sind die Blätter des Hartriegel. Seine an roten Fruchtstängeln hängenden runden schwarzen Früchte wechseln, schrumpelig werdend, ins Rosa. Die Ananasgallen der Traubeneiche sehen nun aus wie abgewetzte braune Bürsten. Goldgelb am langen Blattstiel wippen unruhig die Espenblätter. Graue, zerrissen Wolken schieben sich vor die Sonne. Wo eben noch niedlich die Sonne über Harzburg spielte, nun tiefer Schatten. Düster und schwarz die Fichtenkämme der Berge. Kommt endlich der ausgebliebene Regen?
Das Kreuz des Deutschen Ostens auf der Uhlenklippe plötzlich wieder im Licht. Hoch, weit weg über dem noch blutrotem Laub der Blutbuche am Goetheweg, zeigt es seine filigrane Größe. Die braunen Eicheln der Stieleiche hängen schwer an ihrem langen Fruchtstiel, glänzen hellbraun spiegelnd zwischen den kurzgestielten grünen Blättern. Gleich daneben sonnt sich eine graugrüne Blattwanze, macht eine Saugpause. Leider haben die Hornissen in der Spechthöhle am Weg ein trauriges Ende gefunden. Ein Vorübergehender hat ihr Nest zerstört. Ihr Gebrumm beim Anflug an das zerstörte Nest klingt traurig. Vorbei ihre Sommer Fröhlichkeit! Vielleicht vergessen sie diese Misshandlung, sind ihre gesammelten Vorräte für die Überwinterung ihrer Königin noch ausreichend, sodass sie im nächstem Jahr wieder von hier ausschwärmen, sich auf Wespenjagd, ihrer Hauptbeute, machen können. Uns so einen Teil der stechenden "Ritter des Sommers" von Tisch, Teller und Glas nehmen. Gleich neben der Hornissenhöhle zieht sich eine starke Baumwurzel über die Kalksandsteine. Zwei alte Wunden in ihrer Rinde versucht sie mit einem Kambiumring wieder zu schließen, zu überwallen. Wie ein Fabelwesen mit Brille überwacht sie das Geschehen auf dem Kammweg. Beobachtet unbemerkt Spaziergänger, Radfahrer, Wanderer, Hundeausführer, registriert ihre Hinterlassenschaften.
Von meinem anfänglichem Frösteln ist nichts übrig geblieben, bin richtig warm geworden unter meiner Weste. Der Gedanke einer Ruhepause in der Hängematte drängt sich auf.
Doch der Himmel spielt plötzlich nicht mehr mit. Die Sonne, verschwunden hinter grauen Wolken, der kalte nordische Windzug der über die Höhe zieht kühlt mich und meinen Gedanken. Der Sommer verneigt sich vor dem Herbst. Er ist es der jetzt das Sagen übernimmt. Ein langer sonniger, warmer Sommer der kein Regenschauer zu ließ, nimmt seinen kurzen Abschied.
Folgt einem kurzen Herbst ein langer Winter? Es steht nicht in den Sternen und niemand kann es im Voraus verlässlich sagen. Auch ich weiß nicht ob mir die sehende, beobachtende Wurzel die Geheimnisse des Kammwegs wirklich erzählen wird. Aber ihr zuhören was sie zu sagen hat, das würde ich, ohne Zwischenfragen zu stellen, schon sehr gerne.
Otto Pake
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