Bald tauchen andere zum Brocken Strebende wieder vor uns auf. Sie spüren Horsts heißen Atem, treten zur Seite machen Platz für zwei alte verrückte Männer. Ein eingeschneiter Südwester, der Sturmhaube der Fischer, wackelt vor uns hin. Darunter versteckt sich ein weißhaariger bärtiger Kopf. Es ist mein Wanderfreund Wilhelm von unserer Wimpelwanderung nach Paderborn. "Hallo Wilhelm, wo hast du dein Schiff, deinen Kutter gelassen"? "Ach du bis es". Nun muss ich mir erst einmal die Vorzüge dieses Kopfbekleidungsstück anhören und was über den Wellen des Meeres zu gebrauchen ist, dass ist bei dem Winterwetter hier auch die beste Behütung. Und was Wilhelm sagt stimmt in der Regel auch. Seine Angetraute trägt graziös ihren aufgespannten roten Schirm in ihrer rechten Hand und es ist nicht zu glauben, keine Schneeflocke schmückt ihre Wintermütze. Annett, Klaus und Christian, auch Teilnehmer an der großen Reise von Bad Harzburg nach Paderborn werden nicht nur herzlich begrüßt sondern auch noch überholt. Strammen Schrittes erreichen wir den Stein des Mauerfalls "Freier Brocken". Ab der Brockenstraße sind wir zu Dritt unterwegs. Eine Reporterin eines Naturmagazins hat sich uns angeschlossen. Schwärmt, dass unser Schritt auch der ihre wäre. Sie fotografiert, fragt, quatscht über sich. Meist ist sie in Nordafrika tätig. Das mit dem Brocken eher Zufall als Planung. Etwas ganz neues ist der Harz für sie. Von hinten pfeift die Lokomotive der Brockenbahn. "Sehen wir den Zug? Den möchte ich fotografieren". "Erst oben am Brockenbahnhof ist er zu sehen. Wenn er aus der Schneelandschaft kommend in den Bahnhof einfährt, das ist der Standort der Fotografen. Vielleicht schaffen wir es noch".
Am eingeschneiten Gedenkstein am Tor der ehemaligen Brockenmauer ist noch niemand zu sehen. "Wenn sie den Zug fotografieren wollen müssen wir hoch bis zu den Gleisen. Gleich kommt der Zug aus der Schneelandschaft angeschnauft. Das gibt tolle Bilder", drängele ich die Reporterin ein wenig. Die aber hat den Stein im Blick. "Erst den, dann den Zug" ist ihr Begehren. "Der Stein bleibt, den Zug bei seiner Einfahrt ist schnell Vergangenheit" drängele ich weiter. Ihr ist der Stein im Moment wichtiger. Die Lokomotive taucht auf. Dampft und pfeift, zieht ihre vier Anhänger, hoch über uns in den Brockenbahnhof. Kein Foto bleibt für die Weitgereiste. Die schubbelt mit ihren Handschuhen noch immer der Stein schneefrei. Verstehe einer die Weiber! Bald sammelt sich ein Grüppchen. Warten im schneidenden kaltem Wind stehend auf den Referenten. Der erscheint pünktlich, doch die Kälte zieht den Wartenden schon in die Beine. Der treibende Schnee tut ein Übriges. Krabbelt in jede Lücke, schmilzt auf der warmen Haut im Gesicht, im Halskragen, bringt die Nasen zum Tropfen, zum Laufen. Naseputzen macht die Finger kalt. Schlüpft man wieder in die Handschuhe stellt man fest, die Dinger sind feucht und kalt. Das Schlimme ist sie bleiben es auch! Der Vortragende beginnt mit seiner Ansprache. Ein Zuhören ist schwierig, nur Wortfetzen nimmt das Ohr auf, der Rest wird fortgeblasen oder geht im Murmeln der Umstehenden verloren. Einmal ihre Klappe halten können die Wenigsten. Immer bleibt die Schnute in Bewegung. Ja, Bewegung macht warm. Nur, dass das auch mit andauernder Quasselei funktioniert, das ist mir neu! Etwa so um die 50 eingemummelte Zuhörer drängeln sich um den Vortragenden. Ungeduldig wartet der harte Kern der sachte kleiner werdende Trupp auf das Schlusswort. Danach strebt alles auseinander. Auch wir beide machen uns davon. Laufen hoch zum Wolkenhäuschen, zum Stempelkaste Nr: 9. Der ist vereist, einschließlich Stempelkissen. Im Wolkenhäuschen ist es windstill. Man glaubt man ist ins Warme getreten. Glaube soll bekanntlich Berge versetzen können, aber Kälte in Wärme, da tut er sich schwer!. Kälte herrscht im Wolkenhäuschen. Hier hockt auch das Pärchen mit den zwei Hunden vom Eckersprung. Auch sie sind dem eisigem Winde entflohen. Trinken mitgebrachtes Warmes. Traurige, frierende Hundegesichter blicken uns an. Warum schleppt man uns hier her fragen sie. Es wirkt bald wie eine Anklage. Meine Hände fragen mich das auch. Steck uns wenigstens in warme Handschuhe verlangen sie von mir. Stellt euch nicht so an, schimpfe ich zurück. Dann musst du eben leiden, antworten sie mir.
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