Im Juli meide ich meist den Butterberg. Nur noch wenig blüht im Schatten der Buchen, Eschen, Linden, Eichen, Hainbuchen, des Spitz-, Berg-. und Feld-Ahorn, der Vogelkirschen, Hasel-, Pfaffenhütchen, des Weißdorn, den Büschen von Hartriegel und Schlehen, den unruhigen Blättern der Zitterpappel, des Schwarzen Holunders, der Heckenrosen. Bestimmt habe ich noch verschiedene vergessen die mit ihrem Laub die Sicht vom Kammweg ins Land versperren, für leichtes Dämmerlicht unter ihrem Blattwerk sorgen. Wenn es dann dunkel wird unter den Blättern, der Bärlauch verwelkt, der Türkenbund verblüht, dadurch schon Herbstbilder auftauchen, dann liebe ich ihn nicht so ganz, meinen Butterberg. In dieser Zeit streife ich durch die Wiesen im Harz, den freien Landschaften der umliegenden Vorberge wie Huy, Fallstein, Harli, der Teufelsmauer, den Gegensteinen. Auch wird ab und an über den Harz gesprungen und die Karstlandschaften des Südharzes, der Kyffhäuser erkundet.
Doch heute geht es über den Butterberg. Nach ein paar Schritten bin ich schon bei der Abbitte. Im grünen Schatten leuchtet im zartem Blau die Nesselblättrige Glockenblume, der unscheinbare Kohllauch steht in Knospe, blüht dort schon wo er mehr Licht bekommt. Schnell wird sein grüner Blütenstand, der wenige weißliche kleine Blüten trägt, übersehen. Die Pfirschblättrige Glockenblume ist schon in Samen gegangen, zeigt noch letzte weiße und blauen Blüten. Dem Türkenbund geht es ähnlich, hat schon längst seine gefleckten nickenden Blüten verloren, streckt schon seine befruchteten Samenkapseln in die Höhe. Ich trete aus dem Blätterschatten ins Licht der blühenden Butterbergwiese. Im Sonnenschein flattern Schmetterlinge. Viele der schwebenden Bunten flattern vor mir auf, setzen sich bald wieder. Leuchten aus dem Grase, oder von hoher blühender Warte. Ein Schwalbenschwanz flattert scheinbar unbeholfen davon; schraubt sich, als ob der Wind extra für ihn bläst, auf unsichtbarem Luftstrom in die Höhe. Im Nu hat der blaue Himmel ihn verschluckt, ist verschwunden. Dafür bleiben die Anderen.
Schornsteinfeger, Schachbrett, Kohlweißling, Tagpfauenauge, Kaisermantel, Sommer-Landkärtchen, der Rostfarbene Dickkopf fliegen umher, naschen an den Wiesenblüten. Der Rothalsbock hat sich die Schafgarbe als Ruheplatz ausgesucht. Nebenan, auch auf einem Stängel der Schafgarbe, sitzen glänzende grüne Schmeißfliegen. Brummen davon als mein Schatten ihnen zu nahe kommt. Eine Grabwespe sonnt sich auf dem Blatt der Nesselblättrigen Glockenblume, die Honigbiene saugt am Blütenboden des Jakobs-Greiskraut. Ein Pärchen der Breitstirnblasenkopffliege hat für seinen Paarungsplatz den Blütenkopf der Scabiosen-Flockenblume ausgesucht, die kleinen schwarzen Rapsglanzkäfer die dort auch umher wuseln, auf die Gegenseite verdrängt. Doch so einfach weichen wollen sie nicht. Immer wieder stören sie das Liebesspiel der viel größeren Breitstirnblasenkopffliegen. Wenn die wüssten was für einen hübsche Namen sie tragen. Im Blütenkelch einer Nesselbättrigen Glockenblume hat eine behaarte Krabbenspinne / Herianeus hirtus ihre Fangstation eingerichtet. Kleine Käfer und eine Schwebfliege zeugen von der Klugheit ihrer Entscheidung. Die ausgesaugten Insekten hängen an den feinen Härchen der Glockenblumenblüte. Ja, das Leben und Sterben sind dicht beieinander, gewissermaßen im Einklang im Blütenkelch der Glockenblume. So ergeht es auch der Wiese mit ihren Gräsern und farbigen Blüten. Abgeschnitten und dahin welkend liegen sie nur Tage später am Boden. Kein Falter flattert mehr über die vertrocknete Vielfalt. Keine Hummel brummt von Kleeblüte zu Kleeblüte. Alles ist in ein grau-braun übergegangen. Das Heu in weiße Plastikhüllen zu Ballen gepresst, aufgeladen und abgefahren. Nur noch braunes Untergras wird von der Sommersonne beschienen. Doch nicht alles hat das Mähwerk erfasst. Am Waldrand blüht noch ein schmaler Streifen. Der purpurfarbene Wirbel Dost, das Wiesen-Labkraut in weiß, das Langblättrige Hasenohr in gelb, in hellblau Witwenblume und Scabiose. Ein paar Wiesen- und Scabiosen Flockenblumen sind auch noch da. Der Acker-Flügelknöterich auf dem Rohboden am Ackerrand, auch Luzerne und Bitterkraut schieben ihre Ranken, ihre Blütenstängel zwischen den kurzen Trieben von Hartriegel und Schlehen ins Sonnenlicht. Bieten den verblieben Faltern, den Käfern und Fliegen, Hummeln, Wespen, Bienen letzte Nahrung. Nach einem Regenguss zeigen die Gräser schon wieder neue grüne Blattspitzen. Mitten in der wieder ergrünenden Wiese erscheinen die weißen Hüte der Wiesen-Champignon. Auch der Netzstielige Hexenröhrling gibt sich die Ehre. Unter den Bäumen drängeln sich die verzweigten, hellen Äste der Steifen Koralle auf und zwischen alten Holzresten, bilden teilweise richtige kleine Gruppen am Wege. Der von mir verschmähte Butterberg hat mir sein Juli-Gesicht gezeigt. Hat mir gezeigt, dass er für einen Besuch, eine kleine Wanderung immer eine Vielfalt an Sehenswerten zu bieten hat. Nur sehen muss man es halt.
Otto Pake
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