22.06.2016 Mittwoch
Der Morgen verspricht einen schönen, sonnigen Tag. Nach einem ausgiebigen Frühstück stecken wir in unseren Wanderschuhen, wollen uns gleich vom Ort aus auf den Weg machen, die Sächsische Schweiz erkunden. Wir kramen an unserem Auto herum, stecken vorsichtshalber noch Schirm und Jacke in den Rucksack. Werfen noch einen Blick in die alte, schon zweiundzwanzigjährige Wanderkarte von Sachsen 1:25000 Blatt 45 Bad Schandau, Sebnitz. Wir wollen heute in das Tal der Sebnitz zum Großdorfer Raubschloss. Ist für den ersten Tag nicht so weit und kennen wir noch nicht. Erkundigen uns bei einem jungen Mann, der im gegenüber liegenden Garten umher kramt nach dem Einstieg des Wanderweges. Der hat aber keine Ahnung. "Bin gerade hier zu gezogen. Fragen sie meine Nachbarn die sind hier zuhause, die wissen das". Ein älteres Ehepaar lehnt sich über die Brüstung ihrer Veranda, löst sich von ihrem Frühstücksplatz. Hatte uns, wie sich heraus stellt, schon lange im Auge und haben mitgehört wo wir hin wollen. "Das lassen sie man sein. Was wollen sie da. Da ist nichts sehenswertes dran, das "Raubschloss", das sind nur ein paar zugewachsene Steine im dichten Wald. Zur anderen Seite müssen sie wandern, da finden sie die Schönheiten unserer Gegend. Laufen sie den Panoramaweg, oder steigen sie ab ins Kirnitschtal, da finden sie unsere Höhepunkte. Vergessen sie die Sebnitz, das Raubschloss, sie sind die Ersten die danach fragen. Kein Mensch läuft dahin". Nach dieser eindrucksvollen Rede sind wir unsicher, können die Tour ja auf einen anderen Tag verschieben. So entscheiden wir dann umzuplanen, dem Rat des Ehepaares zu folgen und unser Erlebnisglück in der anderen Richtung zu finden. Hat nur einen Nachteil, auf unserer Karte ist ein Panoramaweg um Mittelndorf nicht verzeichnet. Mein Einwand deswegen geht in der Gegenantwort der Dame des Hauses unter. "Da ist alles neu beschildert. Der Weg ist nicht zu verfehlen. Vertrauen sie uns, sie werden es nicht bereuen". Bei soviel Zusprache können wir nun absolut nicht anders. Wir müssen dem Rat der alten Herrschaften folgen. Also queren wir die "Hohe Straße", die Hauptstraße durch den Ort. Wandern durch das überraschend schöne Mittelndorf, stoßen bald auf den mit "Gelbpunkt" beschilderten Panoramaweg. Sind überrascht hier auf einen Campingplatz zu stoßen. Einen schönen obendrein. Nein, einen sehr schönen Platz in wunderbarer Lage.
Wenn wir das vorher gewusst hätten, wir hätten hier unser Zelt aufgebaut und nicht im "Weinberg" ein Zimmer bezogen.
Denn für uns beide, Rita und mir ist die Nacht unter der Zeltplane immer noch der Höhepunkt einer Urlaubsreise. Wir sind beide Kinder des Lichts, der Sonne, der nicht ummauerten Luft, des Draußenseins. Es gibt nichts schöneres in unseren Augen. Wenn sich Rita, jetzt im "Älterwerden" auch manchmal gern verwöhnen lässt mit eingedecktem Tisch, Frühstück vom Büffet und so. Auch sind wir in einer Harzklubverpflichtung angereist. Unsere Wimpelwandergruppe, die den Wander-Wimpel von Bad Harzburg bis Paderborn getragen hat muss am Ende des Wandertages hier in Sebnitz die Chronik dieser Wanderung dem Präsidenten des Deutschen Wandervereins feierlich überreichen. Darum ist fast die gesamte Wimpelwandergruppe des Harzklubs hier auf dem Wandertag vertreten. Da passt es nicht immer wenn man seine Bleibe fern von den anderen Wimpelwanderern, auf der Zeltwiese aufbaut. Darum also das Hotel für ein paar Tage.
Der Panoramaweg trägt seinen Namen zu Recht. Wunderbare Sicht auf die Felsen der Schrammsteine, den Affensteinen, später dem Wildenstein. In leichten Wellen, doch weitgehend auf der Höhe bleibend eröffnet er uns den Reiz der Sächsischen Schweiz. Pechnelken, Berg-Sandglöckchen, Heidenelke blühen links des Weges an der Böschung. Rechts die Weizenfelder mit dem feinem Blau der Kornblumen überzogen. Links weitet sich die Böschung zur Wiese. Sigmarswurz / Malva alcea überziehen sie mit ihren großen rosa Blüten. Bei der Wärme des Tages, dem südländischen rosa Flair könnte man meinen, eine Bucht des Mittelmeeres müsste sich hinter dem kleinem Wäldchen in der Senke vor den Affensteinen erstrecken. Es ist aber nur die Kirnitzsch die sich unten im Tal dahin schlängelt. Der Panoramaweg zweigt nach links ab strebt in die Höhe des Birkenberges. Wir bleiben auf dem "Grünstrich", dem Scharwändeweg, steigen ab zum Beuthenfall an der Kirnitzsch. Weizenfelder, die von Kornblumen überwachsen ein blau-grünes wiegendes Meer vortäuschen, begleiten uns eine Weile bis der Wald uns auf nimmt, uns in die Tiefe des Tals bringt. Von dem ehemaligen großen Gasthaus Beuthenfall ist nicht viel übergeblieben. Vor dem eingestürztem Mauerwerk, den alten Balken des Gebäudes blüht in der Vormittagssonne der Beinwell. Es ist als ob er der Traurigkeit des Verfalls einen neuen Lebensmut einhauchen möchte.
Vielleicht kommt ja noch einmal ein Prinz vorbei, der die alte Wirtschaft mit seinem Kuss ins Leben zurück bringt.
Wir aber laufen vorbei ohne zu küssen. Wechseln auf die andere Straßenseite ans andere Ufer der Kirnitzsch und vertrauen uns dem Flößersteig an.