19. Juli 2015
Die Sonne scheint auf die Bettdecke. Es ist sieben Uhr und ein paar zerquetschte Minuten. Gleich gibt's Kaffee. Nehmen unseren Terrassenplatz, den wir gestern Abend verlassen haben wieder ein. "Ist es nicht zu kühl hier draußen"? "Nein, wunderbar so". Reichlich wird der Tisch gedeckt. Körnerfutter mit Milch ist auch dabei. "Bitte, bevor das hier umher steht nehmen sie beides wieder mit in die Küche, wir sind beide keine Körneresser und Milchtrinker." "Möchten sie ein Ei dazu"? "Es ist alles reichlich, kein Ei". Körner und Milch verschwinden in die Küche. "Das mögen sie nicht und Eier auch nicht". Küchenworte aus dem offenen Küchenfenster. Das mit dem Ei war wohl ein kleiner Fehler von mir. Meine Ablehnung bezog sich auf den heutigen Morgen und nicht auf die ganze Woche. Es gab also keine Körner, Milch und Eier mehr für uns zum Frühstück, dafür Obst in allen Variationen. Eine gesunde Woche ist auch einmal ein besonderes Erlebnis!
Um halb Neun machen wir uns auf. Wandern hoch zum Kohllahner Sattel. Erneut sind wir begeistert von der Pflanzenvielfalt links und rechts des Weges. Je höher wir steigen, so reichlicher blüht der Schnittlauch. Ochsenauge ( Buphthalmum salicifolia), daneben Mücken-Händelwurz, drei, vier Sommerwurz (Orobanche) dazwischen. Ein Stacheldrahtzaun mit Übertritt zur Weide des Kohlahnersattels. Rinder blicken uns mit teilnahmslosen Augen an. Keine Bewegung in den Tieren. Ob wir Schnaufenden hier angekommen sind, hier herumstehen, die Strecke des Aufstiegs betrachten, ist den Viechern schnuppe. Nur ihre Mäuler mahlen weiter. Wegschilder am Zaundurchlass weisen uns den Weiterweg. Wir tauchen ein in ein Kieferndickicht zwischen dem der Pfad weiter nach oben führt. Hohe, im wunderbarem blau blühende Alpen-Milchlattich (Cicerbita alpina). Von Schmetterlingen und Käfern besuchte Blütendolden des Alpendost, behaupten sich dazwischen. Dann öffnet sich das Latschen- Dickicht, gibt über Wiesenflächen den Blick frei zum Wilden Kaiser. Die Feldsteine eines verfallenen Unterstands bieten uns einen Platz zum Sitzen, zum Betrachten. Kann es noch schöner werden? Schöner vielleicht nicht, aber noch aussichtsreicher steht die Bank am Gipfelkreuz -1813m- des Feldberges. Zwar hockt schon ein junges Paar auf der Bank bei unserem Erscheinen. Ist es Mittleid, Höflichkeit oder beides mit uns prustenden "Alten"? Freundlich räumen sie die Bank, setzen sich etwas abseits auf ihre Rucksäcke. Ein wenig verschämt nehmen wir allein Platz auf der Bank, könnte sie doch glatt uns Vier tragen. Ein kleines Gespräch kommt in Gang, dass sofort von einem ankommenden Läuferpaar unterbrochen wird. "Gestern waren wir schon einmal hier, war aber nicht so gute Sicht, deshalb sind wir heute noch einmal hochgelaufen. 10 Minuten sind wir schneller als gestern. Also macht's gut". Weg sind sie. Laufen den Weg zurück, herunter den sie eben schwitzend hoch gerannt kamen. Das mit der Aussicht war wohl ein nur netter Spruch der Beiden, denn gesehen haben sie bestimmt nichts. Ihre Augen waren nur zur Trittsuche für den Auf- und Abgalopp auf den Boden gerichtet. Jeder wird halt auf seine eigene Art glücklich. Nach einer ordentlichen Trinkpause, Wasser hatten wir im Rucksack, machen wir uns auf den Weiterweg. Es geht auf gut ausgelaufenem Pfad über den Grad immer Richtung Obere Scheibenbichlalm. Meist sind wir allein unterwegs. Doch ab und an fliegt dann doch mal in einzelner Läufer, ein gemeinsam rennendes gemischtes Paar an uns vorbei. Bewundernd schauen wir ihnen nach. Es ist als flögen sie mit langen, den Boden kaum berührenden Schritten hinunter. Ein junger Mann machte das dann auch noch anders herum. Er rennt herauf. Zwar mit kleineren Schritten, doch auch elegant und leicht in seinen Bewegungen. Es ist Lukas, der jüngere Sohn unseres Wirtes, der gestern Abend noch auftauchte, eine Nacht bei seinen Eltern auf der Kohlalm verbringt. Nun dampft er uns entgegen, muss er doch am Abend schon wieder in Salzburg sein. Das teilt er uns so im Vorbeirennen mit. Wir beide, immer bedacht auf festen Halt und Tritt steigen halt viel langsamer den Feldberg hinunter. Betrachteten das Alpen-Sonnenröschen (Helianthemum alpestre) die Hexenbesen ähnlichen Fruchtstände der Silberwurz (Dryas octopetala) die die weißen Kalksteine überzogen haben. Oberhalb der Scheibenbichlalm steht ein Holzkreuz auf einer eingezäunten Wiese. Sein gemauerter Sockel ist mit Bohlen belegt, zu einer Bank geworden. Ein idealer Platz, etwas vom Weg entfernt, für eine weitere Pause. Eine vorbeiziehende Wandertruppe bringt uns wieder auf die Beine. Lärmend ziehen sie vorbei. Die Scheibenbichlalm sperrt mit einer Schranke den Wanderweg. Ein Hund stromert umher. Wir müssen da durch, über den Hof führt der Wanderweg. Der Hund ist freundlich, er dreht sich um trottet zu seiner im Hauseingang sitzenden, mit Handarbeiten beschäftigten Sennerin, oder werden die Damen die die Alm bewirtschaften hier anders genannt? Sie ist eine stolze, dralle, locker bekleidete Dame am Nähen. Unser Gruß wird nur mit einem Nicken erwidert. Zu angespannt bei ihrer Tätigkeit. Aufpassen heißt es auch für uns. Unser Weg zur Kohlenalm zweigt hier ab. Unterhalb des Weges, der ab hier Fahrstraße ist zweigt der Pfad, durch den Wald führend, ab. Wie gesagt aufpassen muss man schon um die siebenarmige Buche, die die rot-weißen Wegemarken zieren, zu entdecken. Der Pfad durch den Wald ist nicht so begangen. Mal gut im Gelände zu erkennen, dann wieder verwischt vom Bewuchs, häufig feucht , rutschig. Bärlappe fühlen sich hier wohl, zeigen es auch. Die kriechenden Ranken des Sprossenden Bärlapp überziehen den Waldboden. Auf Lichtungen die Bayrische Sterndolde, dort wo die Rinder noch weiden stehen die kräftigen Blütentriebe des Weißen Germer (Veratrum album). Die Rinder mögen ihn nicht, lassen ihn stehen. Er ist schon verblüht, nur einzelne hellgrüne bis gelblich-grüne Blütensterne sind noch zu finden. Der Berggasthof schimmert durch die Bäume, der Pfad geht in den Rindertritten verloren. Wir nicht, sitzen bald auf "unserer" Terrasse, lassen uns ein großes Bier schmecken. Es ist 15:20 Uhr, noch scheint die Sonne, doch hinter den Bergen drohen Gewitterwolken und der Wind frischt auf. Herr Wiesinger berichtet von unserer Begegnung mit Lukas, der hat für seinen Lauf nur knapp 2 Stunden gebraucht, ist schon wieder auf dem Weg nach Salzburg. Wir vertrödeln den Nachmittag beim Bier, mit Gesprächen mit vorüberziehen Gästen. Herr Wiesinger schlägt für morgen die Wanderung zum Scheibenkogel vor. "Ihr müsst aber oben unbedingt nach rechts abbiegen, vergesst das nicht", bleut er uns bestimmend ein. Bekommen unser Abendessen etwas früher. "Weil ihr schon da seid" sagt, meint unsere Umsorgerin Agnes. Das ist auch gut so. Der Himmel bezieht sich, wetterleuchtet, in der Ferne grummelt's schon. Es ist noch keine halb sieben als der Tanz beginnt. Wir bleiben eisern auf unserer Bank auf der Terrasse sitzen, lassen uns von der veränderten Wetterwelt nicht stören. Der Wind frischt weiter auf, bläst vom Kohllahnersattel, vom Westen herunter. Wir im Windschatten des Ostgiebels des Hauses sitzen windgeschützt und als die ersten Regentropfen über uns hinweg treiben, bläst die Widerwelle des Windes hinter dem Giebel, uns nur leichten Sprüh entgegen. Es kracht fürchterlich, der Donner rollt um die Berge. "Wollt ihr nicht rein kommen"? Wir wollen nicht, harren trotzt der leichten Feuchtigkeit in der Luft, aus, bleiben auf unseren Plätzen. Herr Wiesinger hat schon die restlichen Tische, mit der Tischfläche gegen die Bänke an der Hauswand, umgelegt. Sollen trocken bleiben. Da blinzelt die Sonne schon wieder; zaubert einen Regenbogen über das Kohlental. Bald ist aus dem einen Bogen ein doppelter geworden. Sie überspannen das Tal von Berg zu Berg in ihrer farbigen Pracht. Alle Bewohner der Kohlalm stehen auf der Terrasse und staunen. Ist es doch auch nicht alle Tage dass so ein Schauspiel hier oben geboten wird. Das bunte Spiel des gebrochenen Lichts dauert lange. Verändert sich dabei aber dauernd. Mal zeigt sich doppelter Bogen in leuchtenden Farben, dann verschwindet der obere im Grau des Himmels, zerrt den unteren mit sich. Der hält aber seine Stellung an den Bergflanken, baut sich von dort wieder zu vollem Glanz und Schönheit auf. Das lockt den Zweiten, eben vergangenen wieder ans Licht. Es ist ein Regen-Sonnentanz den wir erleben. Erst nach 20 Uhr beendet ein kräftiger Regenguss, der sich unter die Sonne geschoben hat, das faszinierende bunte Spiel, legt alles unter seinen grauen Regenschleier. Eineinhalb Stunden hat dieses Spiel uns begeistert. Als krönenden Abschluss spendiert Herr Wiesinger für die gesamte Belegschaft noch einen Selbstgebrannten für die Harten, ein Gläschen Wein für die Zarten. Wohlig verpackt verbringen wir die zweite Nacht beim Rauschen des vorbeifließenden kleinen Kohlbachs. Der vergangene Regenguss hat ihn aus seinem Trockenschlaf geweckt. Durch unser offenes Kammerfenster erzählt er murmelnd, was er alles zu leisten hat. Stöhnt über die vielen Wackersteine die ihm in sein Fließen gelegt sind, gelegt werden. Wir im warmen Bett, ziehen die Decke über die Ohren, hören ihn noch leise wispern bis der Schlaf die Gedanken abschaltet.