Um 9 Uhr besuchen wir den Ökumenischen Gottesdienst auf dem Rathausplatz. Superintendentin Anke Schröder und Dechant Benedikt Fischer halten die Andacht. Der Evangelische Bläserkreis, eine Kath. Chorgemeinschaft sind zur Unterstützung der Beiden mit dabei. Eine unter die Haut gehende, feierliche Andacht erleben wir. Dies alles in der katholischen Hochburg Paderborn! Sollten sich die Christlichen Gemeinschaften wirklich wieder zusammen finden? Wie weit wird der Weg noch sein und wer der Beiden lässt die meisten Federn? Ein Hoffen und Warten auch hier.
Um 10 Uhr Einlass zur Feierstunde des 115. Wandertages in Paderborn in die Paderhalle. Rita hat eine Ehrengast Karte. Ein "hinein-Schummeln" fällt flach. Mein Wanderfreund aus Harzburg/Paderborn ist ein wenig enttäuscht, hat er schon einen Platz für Rita reserviert. Was soll das mit der strickten Einlasskontrolle? Wieder, wie schon bei der Eröffnungsfeier, bleiben im Saal Stühle leer, interessierte Besucher draußen! Versteh das einer!
Unser Einzug in den Saal eröffnet die Feierstunde. Karl hat schon wieder dazu gelernt. Nicht mehr so leicht hölzern wie bei der Eröffnungsfeier queren wir die Bühne, nein, mit Verbeugung und einer Wendung um die Achse treten wir auf, damit auch alle Anwesenden unsere Aufschrift auf unserem grünen Harzklub-Hemd lesen können:
Wimpelwandergruppe
Bad Harzburg - Paderborn
prangt auf unserem Rücken. Sonderbeifall. Verbeugung und Abgang.
Dr. Hans-Ulrich Rauchfuß begrüßt. Frau Sylvia Löhrmann die Stellv. Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalen für Schule und Weiterbildung lässt Worte über das Schulwandern fließen. Das Sinfonieorchester der Städtischen Musikschule Paderborn umrahmt das Ganze. Verena Hagemeier vom Radio Hochstift leitet von Vortrag zu Vortrag, von Begrüßung zu Begrüßung. Den Festvortrag hat Dr. Klaus Töpfer Bundesminister a.D. übernommen. Dieser Vortrag des Dr. Klaus Töpfer wird zum Höhepunkt der Feierstunde. Mit leiser, doch deutlicher Stimme, ein kleines Manuskript in den Händen, doch mehr frei sprechend, nimmt er uns mit seinen Worten gefangen. Im Saal kein räuspern, kein husten, kein Nase schnauben. Alle hängen an seinen Lippen, seinen unscheinbaren dezenten Gesten. Das ist ein älterer Herr der sagt was er denkt und in diesem Augenblick überdecken seine Gedanken die eigenen. Ein Herr der nicht mit dem Munde spricht sondern mit seinem Herzen, seiner Seele. Ihm hier zuhören zu können, zu dürfen, sind allein schon die vielen Schritte nach Paderborn wert. Was hat er gesagt? Wenn ich das noch wüsste! Viel zu konzentriert, viel zu ergriffen folgte ich seinen Worten. Alles wollte ich abspeichern was da gesagt wurde. Nichts wurde daraus. Der Beifall, den der aufgestandene Saal dem Dr. Töpfer spendete legte sich über seine Worte in meinem Gedächtnis, vergrub alles Gesagte. Ein großer älterer Herr der jetzt Worte findet und sagt, der die politischen Grenzen auflöst, verschwinden lässt.
Dazu passte dann auch das leider etwas holprig gesungene Lied: "Ein Wandervolk, ein einig Volk………."! Strophen die mich nachdenklich stimmen. Trotzdem versuchte ich, der Nichtsänger, den Versen zu folgen.
Uns, der Wimpelwandergruppe aus dem Harz, von Bad Harzburg kommend, bleibt nur noch der Gang ein zweites Mal über die Bühne mit Verbeugung, Wendung um die Achse, Verbeugung zum Orchester, Verbeugung zum Beifall spendenden Saal und ein Zuwinken beim Abgang von der Bühne.
Vor der Toilette steht eine Schlange Bedürftiger. Bei den Herren wie bei den Damen. Ist doch gleich im Anschluss zum Sammeln, zum Festumzug geblasen. Alles ordnete sich auf dem Parkplatz vor der Paderhalle. Auch so knappe dreißig Wanderer vom Zweigverein Bad Harzburg sind mit dem Zug angereist. Wollen im Festumzug mit laufen. Sind soeben erst eingetroffen. Kurz vor 17 Uhr verlässt ihr Zug Paderborn schon wieder, kehren sie Paderborn schon wieder denRücken. Wenn sie wüssten was ihnen von Paderborn vorenthalten wird! Grämen würden sie sich, grämen! Doch wie es im Leben ist: "Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß". Aber ungesehen die Paderborner Schönheiten versäumen zu müssen, grenzt schon an einen Sündenfall. Der Umzug ist lang. Viele Kapellen spielen, sind geschickt platziert. Überall, ob hinten oder vorn im Zug, überall die Klänge mindestens einer Kapelle. Die Wimpelwandergruppe läuft gleich hinter dem ersten Musikzug. Unser Harzburger Bürgermeister ist bei uns. Der Winzer der Weinbude, man kennt sich gut mittlerweile, bringt ihm ein Glas seiner edlenTropfen. Ein Weinglas schwingender fröhlicher, ausgelassener, den Zuschauern zu prostender Bürgermeister begleitet uns ein Stück. Mit leerem Weinglas geht das nicht. Das weis auch unser Bürgermeister Ralf und weg ist er.
Die Straßenränder gesäumt von Winkenden. Dicke Wolken drohen. Lang zieht sich der Festumzug auseinander. Als die Musik vor uns ihre Instrumente nur noch baumeln lässt wissen auch wir das unsere Runde zu Ende ist. Das Wimpelband vom Wandertag 2015 wird uns überreicht, jeder von uns bekommt sein Band persönlich mit einem Handschlag in die Hand gedrückt. Für heute sind wir entlassen. Wir gehen dem Festumzug entgegen, denn noch immer zieht sich das bunte Band durch die Stadt. Winken den Vorbeikommenden, rufen ihnen ermunternde Worte zu, denn die Wolken über Paderborn werden immer dunkler. Die vor mir Stehenden drehen sich zu mir um: "Blümchen Otto ist auch da" tönt es. Ich staune, die Kameraden sind auch beim Wandertag in Bad Harzburg dabei gewesen, mit mir durch die Gegend gerannt. Mehrmals sprechen Fremde mich an: "Otto, Paderborn ist zu groß für den Wandertag. Zuviel Leute sind hier in der Stadt, die nichts mit uns anfangen können. Euer Wandertag in Bad Harzburg, der wird hier bei weitem nicht getopt! Was ihr mit euern Mitgliedern auf die Beine gestellt hattet, euer Zugehen auf uns Gäste in eurem kleinem Bad Harzburg, bleibt einmalig". Das freut mich, doch beurteilen kann ich das nicht. Es stimmt, schön war unser Wandertag, doch Paderborn? Mir gefällt Paderborn super! Sie haben ihren Wandertag wunderbar gestaltet, alles stimmt. Vielleicht gehen Einzelwanderer hier in der großen Stadt schneller verloren als in unserer kleinen, heimeligen Gemeinde. Aber klagen über Paderborn? Nein, ich find es hier super, einfach großartig.
Leichter Regen trifft die Letzten des Festumzugs, die Zuschauer flüchten unter die Überdächer der Zelte der Buden. Doch die Kapellen spielen unverdrossen bringen auch den Umzugschwanz zum Ziel. Ein kleiner Wermutstropfen trifft noch unsere Wanderfreunde des Harzklubs Bad Harzburg. Sie haben ihren Wimpelstock zu Hause gelassen, nicht im Festumzug mit getragen, bekommen deshalb auch kein Wimpelband in die Hand gedrückt! Da sind sie konsequent die Paderborner!
Getäuscht habe ich mich mit der Entlassung von den Aufgaben des heutigen Tages. Die Einladung des Bürgermeisters zum Eis ist noch offen. In den späten Nachmittagsstunden wird die Einladung wahr. Nicht nur wir, nein, ein kleiner Kreis Paderborner die zur Organisation des Wandertages beigetragen, mit gearbeitet, ihn gestaltet haben sind mit von der Partie. Der Herr Bürgermeister Michael Dreier öffnet großzügig seine Schatulle. Was der Eisschlecker schlecken möchte bekommt er.
Unser Konferenzzimmer im IN VIA öffnet ein letztes mal seine Türe.
Die Wimpelübergabe bei der Schlusskundgebung im Schlossgarten des Schloss Neuhaus steht morgen an. Natürlich bringen wir den Wanderwimpel, wie es sich gehört, zu Fuß dorthin. Unser Vorräte die uns bei den Konferenzen immer gestützt haben gehen zur Neige, sind ausgetrunken, aufgegessen. Alles ein wenig wehmütig am letzten Abend in Paderborn. Die Heimreise wird organisiert.