WillkommenWanderungenWanderstreckenGasthäuserServiceKontakt

Seite 2 

Achim wählt das Bett am Waschbecken, ich bekomme das, wie immer am Fenster, denn er kann am offenen Fenster nicht schlafen, die frische Luft läst ihn frieren. Er packt seinen Rucksack aus, hängt alles in den Schrank. Das macht er immer sehr sorgfältig. Er ist ein Pedant in diesen Dingen. Meine Sachen bleiben im Rucksack, was ich brauche nehme ich heraus, was nicht gebraucht wird, wird sofort wieder verstaut. So lasse ich nirgends etwas liegen und muss nur in meinem Rucksack nach vermissten Dingen suchen.
Achim stellt seine Hausschuhe, ein paar leichte Latschen, neben sein Bett und geht in Strümpfen über den Flur zur Toilette. Ich betrachte die Lichter des Brockens. Es regnet leicht. Ziehe, weil mir nichts Besseres einfällt die Schubfächer meines Nachtschranks auf. Ein Paar alte Latschen liegen im untersten Fach. Kleine, alte vergessene Stofflatschen, vorne geschlossen, hinten offen. Der Schalk blitzt auf, tausche Achims mit den gefundenen aus. Achim hat Größe 48, die aus der Schublade vielleicht 36.  Hatten nicht früher zu Goethes Zeiten die Leute kleinere Füße?  Betrachte weiter die Brockenlichter.
Achim kommt zurück, betrachtet sich im Spiegel, setzt sich aufs Bett, will in die Latschen  schlüpfen. Er wird stutzig, betrachtet sie intensiv, wendet sich zu mir mit den Worten Otto: "Hast du die vertauscht?" "Was soll ich?" "Du hast die Schuhe vertauscht." "Ich habe keine Schuhe vertauscht, diese alten Treter hast du doch soeben dahin gestellt." "Du hast die vertauscht"! "Achim, nun überleg doch einmal, wie hätte ich das denn machen können, zum Einem wusste ich gar nicht dass du solche Latschen dabei hast, außerdem wo sollte ich denn die Dinger da aufgetrieben haben, kannst du mir das sagen? Die alten Dinger sind aus deinem Rucksack, hast wohl geträumt als du deinen Rucksack packtest?" "Christa hat so welche auch nicht, du hast die vertauscht, gib sofort meine Latschen zurück!" "Weist du wirklich was  deine Frau so alles in ihren Schränken hat? Du hast die verkehrten Latschen eingepackt, anders ist das gar nicht möglich"! Ich hatte eine andere Stimmlage gewählt, eine mit mehr Druck und leichtem Ärger im Klang. Achim wird unsicher. Er dreht die Latschen hin und her, spricht mehr zu sich als zu mir: "Sollten ich wirklich alte Latschen von Christa erwischt haben? Das ist ärgerlich, da muss ich ja meine Wanderstiefel wieder anziehen, --( Wir hatten beschlossen zum Abendessen die Kneipe zu wechseln und in die Alm zu gehen)-- so ein Mist, kann ich mir gar nicht vorstellen."
Einen Moment konnte ich ihn noch in seinem Selbstzweifel belassen. Er blickt mich irritiert, zweifelnd an. Seine Ungläubigkeit, das ihm so etwas passiert ist, steht ihm im Gesicht.
Wie zufällig hantierte ich am Nachtschrank, ziehe eine Schublade auf. "Achim hier stehen noch so’n paar alte Gurken, passen dir die vielleicht"? Ich halte sie ihm entgegen.
Statt sich zu freuen beschimpft er mich fürchterlich. Dreck- und Mistkerl sind dabei noch wohlklingende Schmuseworte.
Im Schnürlregen gehen wir uns wieder vertragend, er noch ein wenig grollend, ich leicht feixend, unterm Regenschirm zur Haxe und Rotwein in die "harztypische" Alm.
In unserem "Alten Torfhaus" brannte schon kein Licht mehr als wir in die Betten krochen.
Das Frühstück war wirklich gut. Außer uns waren noch zwei Gäste im Raum, Arbeiter die am Antennenturm werkelten, doch heute, wegen des starken Regens, noch nicht ihre Arbeit aufgenommen hatten.
Wir verwarfen den Brocken, alles nur dunkle, graue, nasse Suppe. Entschieden uns für die Variante über Braunlage. Zögerten den Aufbruch immer länger hinaus. Der Regen machte eine Pause; keine trockene Pause, nur kleinere Tropfen.
"Los jetzt". Wir verabschieden uns vom "Alten Torfhaus". Das Frühstück hat einiges wieder gerade gerückt. Freundlichkeiten vom Wirt. Das Busenwunder bleibt unsichtbar.
Der Märchenweg einfach märchenhaft. Wir wandern durch eine verzauberte Welt. Der Regen hat wieder zugelegt, keine Tropfen mehr sondern in Streifen, in fingerstarken Wasserstreifen gießt es. Es ist eine Pracht. Die Fichten triefen vor Wasser, es ist als freuen sie sich. Sie singen unter der Regendusche. Weiße Dunstfahnen auf dem Boden, die sofort vom fallenden Wasser wieder zu Boden gedrückt werden. Alles war rauschender Gesang, das Platschen der Tropfen, das Gurgeln des Wassers in den kleinen Gerinnen, das Quietschen unserer Schuhe in den Pfützen des Weges.

Weiter zu