2011.09.21. Mit Achim auf dem Hexenstieg.
Der Torbogen am Parkplatz in Osterode stimmt die Wanderung ein. Wir wollen nach Thale durch laufen. Haben alle Wandersachen, die wir annehmen dabei haben zu müssen, in den Rucksack gepackt. Schlafen wollen wir dort wo wir am Abend ankommen. Werden schon ein Gasthaus oder Hotel finden. Wir sind frei, nichts treibt uns irgendein Ziel erreichen zu müssen. Wir, das sind Achim und ich. Ich wandere schon lange mit Achim. In jedem Jahr machen wir zwei Touren von je einer Woche. Nicht immer wird die Woche voll. Meist sind wir zu schnell am Ziel, oder das Wetter macht uns einen dicken Strich dazwischen.
Wir wandern nicht schnell, aber stetig. Nur kurze Pausen zum Wasser bzw. Tee trinken, zum Anbeißen legen wir ein. Achim bringt immer eine Zungenrotwurst mit, von der werden dann daumendicke Trulen abgeschnitten und mit einer gerösteten Schwarzbrotscheibe verzehrt. Richtig gegessen wird dann beim Übernachtungswirt; denn der soll auch Freude an uns haben, bleiben wir doch nur eine Nacht.
Zum abendlichen Essen fließen zur besseren Verdauung und zur Tagesnachlese, auch schon mal zwei oder drei Schoppen Roten durch die Kehle; die das Ganze noch einmal verschönern.
Wir wandern den gut ausgeschilderten Hexenstieg. Es geht erst einmal stetig bergan, dann über die Clausthaler Hochfläche mit seinen Stauteichen. Weiter an den Gräben der Oberharzer-Wasserwirtschaft, unserem Weltkultur-Erbe, zieht sich der Weg fast eben dahin.
Oberhalb Altenaus ist uns noch der Mond zu neu, die Sonne scheint und wir sind gut drauf, beschließen weiter nach Torfhaus zu wandern. Der Magdeburgerweg zieht sich heute verdammt in die Länge. Dicke Wolken sind aufgezogen, in der Ferne grummelt es. Trocken erreichen wir Torfhaus. Wo bleiben ist nun die Frage. Für die Jugendherberge benötigen wir einen Ausweis. Den kann man noch vor Ort erwerben, doch für eine Nacht im Jahr in der Herberge rechnet sich der Jahresbeitrag nicht. Also vorbei; zur Not können wir ja noch zurück laufen.
Das Gasthaus "Altes Torfhaus" bietet auf einer Tafel Zimmer an. Die ersten Regentropfen treffen uns. Also hinein und fragen ob wir bleiben können. Zwei Personen sind im Gastraum. Ein Herr hinter der Theke, eine Dame mit Zigarette auf einem der Barhocker. Sie schauen uns fragend an. Sonst ist der große Gastraum leer. Eine Busgesellschaft könnte hier Platz nehmen, so viele Tische stehen im Raum, die mit Kunstblümchen in Vasen geschmückt sind.
Die Dame legt den qualmenden Tabakstängel im Aschenbecher ab und rauscht auf uns zu. "Bitte, kann ich ihnen helfen"? Beeindruckt von ihren eingezwängten strammen Busen, das Dekolletee erreicht ungeahnte Tiefen, können wir nur noch flüstern:"Wir möchten ein Zimmer für eine Nacht". Ihre Augen mustern uns, der Blick springt von einem zum anderen, das leichte Lächeln in ihren Mundwinkel können wir noch wahrnehmen, da säuselt sie: "Gerne, kostet 56,- Euro mit bestem Frühstück". Wir sind beeindruckt, nicken Zustimmung. "Ich führe sie gleich hin, setzen sie sich bitte ich bereite noch alles vor. Möchten sie etwas trinken"? "Ja bitte, eine große Flasche Wasser und zwei trockene Rote". Beides können wir jetzt gebrauchen, nach diesem Weg und dieser überrauschenden Dekolletee Begrüßung. "Gerne" und der Busen wendet sich ab. Wir setzen uns und staunen uns an. Der Herr hinter der Theke, der stumm und bewegungslos alles betrachtet hatte, wird tätig. Wir nehmen an einem der Tische platz. Das Dekolletee kommt angeschwebt, bringt die Getränke und die Speisekarte. "Sie können schon mal wählen, bin gleich zurück" und verschwindet durch die Tür neben der Theke. Vier Augen verfolgen ihren Abgang, die zwei Augen des Wirtes betrachten uns. "Na dann prost, hat ja wieder alles geklappt, Achim lass uns anstoßen". Erst einen Schluck Wasser, der tat gut, dann einen Schluck Wein, der bleibt auf der Zunge liegen. "So etwas Grausiges kann man doch nicht trinken" murmelt Achim. Mir geht es nicht anders. "Der steht wahrscheinlich schon seit "Ewigen Gedenken" offen, der ist hinüber" stimme ich ihm bei. Der Wirt hat sich auch zurückgezogen. Wir sind mit unserem Frust allein.
Die Dame kommt zurück, - das Dekolletee hat schon gelitten, dabei ist es noch unverändert -. "Haben sie schon gewählt?" "Nein, der Wein schmeckt schaurig haben sie den schon einmal selbst getrunken, wir können das nämlich nicht, die Flasche ist wohl überständig"?
Nun erleben wir einen Erguss der Aufklärung der Weintrinkkultur. Wir sind beeindruckt, trinken den Wein trotzdem nicht.
Das Dekolletee findet keine weitere Beachtung. Das Essen ist uns vergangen. Wir suchen unser Zimmer auf.
Klein, zwei Fenster zum Brocken, keine Gardinen behindern den Blick, rechts neben der Tür ein Waschbecken. Zwei Handtücher auf dem Bett, zwei Nachtische daneben, ein kleiner Schrank neben dem Waschbecken. Eine Bildtafel mit der Aufschrift: " Hier wohnte Goethe auf seiner Harzreise 1777". Die Toilette auf dem Flur. Weißes, sauberes Bettzeug.
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Otto Pake
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